Natur

 

Leben im Paradies?

Die Vertreibung aus dem Paradies hat den Menschen der Natur entfremdet. Er ist nicht mehr ein Teil von ihr, sondern ein Zuschauer des unendlichen Spiels der Natur aus der Position außerhalb der Unendlichkeit in einem endlichen Spiel. Aus dieser Position versucht er die Unendlichkeit der Natur zu verstehen, indem er Strukturen und Wirkungszusammenhänge erfindet und sie an seinen Erfahrungen verifiziert.

Das führt zu einem tief sitzenden Unverständnis über die Wirkungen seines eigenen Handelns. Da er nicht in die Natur integriert ist, beobachtet er Wirkungen aus einer "neutralen Position". Die Vertreibung aus Eden in eine Welt der mühevollen Erforschung und Bearbeitung der Umwelt macht Überlegungen und Forschungen notwendig, wie und ob die Folgen des eigenen Handelns in die Unendlichkeit der Natur auf die endliche Welt des Menschen zurückwirken. Hinter dieser Denkweise liegt die stille Erwartung, dass die negativen Folgen des abgetrennten Handelns nicht zurückwirken und die positiven Folgen konsequenzenlos nutzbar sind. Die problematische Vorgehensweise enthält die Wertung über positive und negative Konsequenzen. Die Wertung braucht eine ethische Grundlage und eine Verabredung über die Akzeptanz dieser Grundlage.

Die Integration in die Natur lässt solche Probleme und Folgenschätzungen gar nicht aufkommen, denn sie akzeptiert ohne Zweifel, dass jegliches Handeln auf den Handelnden zurückwirkt. Es gibt in diesem Weltbild keine neutrale Beobachterposition.

Diese Überlegungen werden unverständlicher, wenn nicht prinzipiell beobachtbare Handlungen, sondern Gedanken oder Gefühle den Folgenabschätzungen unterliegen. Diese Wirkungen und Rückwirkungen können nicht verifiziert werden und die Folgen sind unmöglich zu isolieren und zu kommunizieren. In der Unendlichkeit der Gedanken gibt es keinen Anfang und keine Reihenfolge. Wie will man einen Anfang definieren, wenn Gedanken und Gefühle geteilt werden? Es gibt kein Gefühl, das jemand zuerst hatte und das in ihm entstanden wäre. Denn mit der gleichen Zuversicht kann man annehmen, dass dieses eigene Gefühl aus dem gemeinsamen Gefühl mit einem Anderen entstanden ist. Für geteilte Gefühle gibt es keinen Verursacher.

Das Leben als Prinzip oder als eine Erscheinung in der Natur ist in dem Paradies. Das Lebewesen in einer Form wird nur außerhalb des Paradieses empfunden. Lebewesen sind endlich, eine Form ist endlich, aber das Paradies ist unendlich. Das Gefühlsleben ist innerhalb des Paradieses. Gefühle sind unendlich. Sind die Gefühle also außerhalb der Form?

Der Mensch hat Gefühle und die Gefühle sind unendlich. Lebt das Endliche innerhalb des Unendlichen, dann lebt der Mensch im Paradies. Im Unendlichen gibt es kein Lebewesen, aber das Leben und es gibt die Gefühle. Alle Gefühle sind miteinander verbunden. Alle Formen sind voneinander getrennt.

Ich mache eine Reise in das Paradies.

Jedes Gefühl verbindet uns mit dem Paradies, sei es der Schmerz oder die Zufriedenheit, die Einsamkeit oder die Liebe, das Glücksgefühl oder der Hunger, die Sehnsucht oder die Angst. Das Gefühl lässt uns in das Paradies ein und umfängt uns. Haben wir unangenehme Gefühle wie Stress, Wut oder körperliches Unwohlsein, dann ruft das Paradies. Es erinnert uns daran dass wir leben und lädt uns ein, in das Paradies zu reisen und die guten Gefühle, vor allem die Liebe mit den mahnenden Gefühlen zu verbinden. Die mahnenden Gefühle sind ein Signal der Seele etwas zu ändern, das Leid herauszulassen und an seine Stelle die angenehmen Gefühle herein zu bringen.

Wir verbinden uns mit dem Paradies über jedes individuelle Gefühl. Das Paradies ist allen zugänglich und wir teilen das Paradies mit der Natur, mit jedem Wesen, mit der Erde und mit der Unendlichkeit. Wir vermitteln das Paradies an jedes andere Wesen. Die Liebe schafft den Zugang zum Paradies. Wir können jedes andere Wesen im Paradies empfangen. Die Heilung nimmt ihren Weg durch das Paradies. Das Paradies ist unendlich und überall.

Der Mensch hat einen Verstand, eine Ratio die ihn vom Paradies trennt, denn das Denken kann nur etwas Endliches sein. Gedanken sind begrenzt. Ein Gedanke ist ein Ereignis und hat einen Anfang und ein Ende. Gedanken können ausgetauscht werden und in Worte gefasst werden. Damit haben sie eine weitere Eingrenzung erklommen zu den Gedanken die in Worte gefasst werden können. Gedanken werden zur Quantifizierung gebraucht, zum Zählen, zum Werten, zum Vergleich. Gefühle sind unendlich und nicht zählbar.

Die Natur wird im Paradies auf eine Weise kommunizieren, die keine Worte braucht und wir dürfen bezweifeln, dass hierfür der Begriff "Kommunikation" zutreffend angewendet werden kann. Bei diesem Wort assoziieren wir einen Sender und einen Empfänger und eine Nachricht, die zwischen den Partnern ausgetauscht wird. Das sind endliche Einheiten, die nicht innerhalb des Paradieses bestehen. Im Paradies sind die Gefühle miteinander verbunden und die Verbindung braucht keine Nachrichten auszutauschen.

Die Ratio hat den Menschen vom Paradies isoliert. Zumindest mit diesem Teil seines Wesens steht er nicht im Paradies. Mit der Quantifizierung, der Wertung, dem Vergleich wurde der Weg aus dem Paradies unumkehrbar. Jeder Versuch mit quantifizierenden Methoden die Unendlichkeit zu "verstehen" ist gescheitert.[1] Anders interpretiert sind die Versuche nicht gescheitert, sondern waren insofern erfolgreich, als sie über die quantifizierenden Gedankenmodelle hinaus dann doch wieder auf der Gefühlsebene gelandet sind. Die Erfolgskriterien sind eben auch nur ein endlicher Maßstab.

An dieser Stelle der Überlegungen und Einsichten habe ich mir die Frage gestellt, ob das Gehirn zuerst gewachsen ist und mit seiner Ratio den Rückweg zum Paradies abgeschnitten hat, oder ob der Mensch aus unbekannten Gründen aus dem Paradies vertrieben wurde und deshalb das Gehirn, die Ratio als Reparaturinstanz von der Natur ausgebildet wurde. Dabei wird aber sehr schnell deutlich, dass das Frageprinzip ein Ergebnis der Gehirntätigkeit ist und erst mit dem Menschen entstanden ist. Der Mensch ist das einzige Wesen, dass das Frageprinzip versteht und damit leider auch das einzige Wesen, dass die Fragen verstandesgemäß zu beantworten versucht.[2]

Die Frage nach der Reihenfolge oder was war zuerst und damit auch die Suche nach Ursachen und Wirkungen ist nur aus der Endlichkeit zu formulieren, wenn wir davon absehen, dass das Frageprinzip ohnehin aus der Endlichkeit kommt. Das Zuerst muss ja ein Ende haben bevor die Wirkung einsetzt. In der Unendlichkeit hat aber Nichts ein Ende, eine Zuordnung von Ursachen und Wirkungen gibt es nicht im Paradies.

Möglichkeiten stellt die Natur bereit, Potenziale die genutzt oder ausgefüllt werden können. Dem liegt aber kein Plan zugrunde oder eine Zielrichtung. Es gab ein Potenzial für ein denkendes Gehirn, einen Verstand, das haben die Menschenwesen genutzt. Daraus wurden Gedanken geboren, die aus den unendlichen Gefühlen endliche Begriffe, endliche Worte und eine endliche Welt konstruierten. Mit dem endlichen Verstand führt kein Weg zurück ins Paradies, mit den unendlichen Gefühlen führt kein Weg aus dem Paradies hinaus.

Vom Paradies zur Kultur

Das Paradies ist die Natur. Es wird gebildet von den Wesen, dem Leben und dem vergangenen Leben und es hält den Rahmen, die Nahrung und alle Potenziale für das Leben bereit. Das Paradies ist nicht erkennbar für seine Wesen und damit bleibt es ein Paradies. Wird es erkennbar, dann ist der Beobachter außerhalb des Paradieses. Der Mensch hat das Paradies erkannt und ist zumindest mit den Erfahrungen und den Strukturen des Verstandes außerhalb des Paradieses. Wir haben unsere Wahrnehmung und unsere Erfahrung, die wir ähnlich wie alles Leben in der Welt mit den anderen Wesen teilen. Für die Kommunikation mit anderen Menschen haben wir ein System aus Sprache, Schrift, Bildern, Gesten und denotativen Symbolen entwickelt, die wir nur mit anderen Menschen in der Kommunikation austauschen können. Daneben tauschen wir absichtlich, also willensgesteuert in Ansätzen Gestik oder Sprache mit anderen Wesen aus, oft ohne zu verstehen ob und warum sie die Absicht hinter unseren Gesten in unserem intendierten Sinne wahrnehmen.

Wenn ich dem Hund den Befehl „Sitz“ gebe, dann tue ich das einmal, damit ich den Nachbarn in Ruhe begrüßen kann und ein andermal, um sein Leckerchen zu verstecken. Ich bin aber nicht in der Lage, diese Unterschiede mit ihm auszutauschen. Der Hund hingegen tauscht mit anderen Hunden und Wesen eine Vielzahl von Gesten aus oder reagiert auf deren Verhalten (Weglaufen, Drohen, Spielen) in einer Weise, die nur mit viel Übung und Erfahrung nachvollziehbar ist – und oft gar nicht.[3]

Viele Tiere, die wir beobachten und studieren können, reagieren auf die Gefühle und unbewussten Zeichen der Menschen ebenso wie auf die der anderen Tiere. Wenn ein Mensch Angst hat, geht der Hund hin, braucht der Mensch Wärme, legt die Katze sich auf seine Füße, zwitschern die Vögel, empfindet der Mensch Freude. Es gibt zwischen allen Wesen eine Verbindung auf der Gefühlsebene und diese Verbindung ist das Paradies.

Soweit wir es wissen oder erahnen können, teilt das Leben in der Natur die Gefühle und die Reaktionen auf Einflüsse die es erfährt mit allen Wesen. Die Arten haben für ihre Lebenswelt spezifische Wahrnehmungsorgane entwickelt, die ihnen ein Leben ermöglichen und die Potenziale nutzen lassen, die in ihrer Struktur bereitstehen.[4] Die Organe haben jeweils die ausreichende Komplexität für die Fähigkeiten des Organismus. Die Abhängigkeit von den Randbedingungen bedingt solche Organe und sichert die Überlebensmöglichkeiten in den Strukturen.

Pflanzen reagieren auf Lichteinstrahlung und Wasser. Manche Forscher haben nachgewiesen, das Pflanzen und selbst das Wasser auf Gefühle reagiert. Die Wahrnehmung von hell und dunkel reicht manchen Tierarten schon aus um sich daran zu orientieren und in sichere Gegenden zu schwimmen oder sich vor Feinden zu verstecken. Wir würden als Menschen die Wahrnehmungsorgane untersuchen und erklären, dass die Wesen aus der Verdunklung ihres Gesichtskreises auf eine Gefahr schließen. Auf unerklärliche Weise nehmen die Wesen wahr, ob sich ein Freund oder ein Feind auf sie zu bewegt, oder ob sie sich einem Stein oder einer Pflanze nähern. Das können wir nicht wissen und das werden wir nie erfahren, wenn wir von außen auf das Paradies schauen. Wir erkennen das Paradies, weil wir nicht drin sind und wir erkennen überhaupt etwas, weil wir vermutlich mit der Großhirnrinde ein Organ entwickelt haben, das das Selbst-Bewusstsein ermöglicht. Es ermöglicht uns zugleich Akteur und Zuschauer unserer Aktionen, Empfindungen oder Reaktionen zu sein.

Ob die Großhirnrinde eine Entwicklung ist, die im Sinne einer Lamarck’schen Vererbung von Gelerntem uns, den Menschen einen Entwicklungsvorteil verschafft, ist nicht abschließend zu beantworten. Die Evolutionisten bejahen das, denn sie geben dem denkenden Gehirn die Aufgabe, abstrakt zu phantasieren, Pläne zu schmieden, diese zu kommunizieren und gemeinschaftlich umzusetzen. Das habe zum Entwicklungsfortschritt der Menschen beigetragen. Hinzu kommt noch, dass der Mensch sich dessen selbst bewusst ist. Die Jäger konnten also sich selbst erfahren wie sie jagen, die Pläne mit dem Ergebnis vergleichen und Lernprozesse anstoßen, die zu neuen, besseren abstrakten Plänen führen. Im weiteren Verlauf der Menschheitsgeschichte führte das zu Bildern, Modellen und Planzeichnungen, die mit den jeweils zur Verfügung stehenden Mitteln übergeben oder kommuniziert wurden.[5] Das begann bei steinzeitlichen Jagdgesellschaften und ist mit dem Bohm’schen Atommodell, dem Urknall oder der Maslow’schen Bedürfnispyramide noch nicht beendet.

Der Übergang von den sinnlichen Qualitäten zu den quantifizierten Begriffen und Symbolen markiert den Ausgang aus dem Paradies. Die Menschen „... vergegenständlichten die sich wiederholenden Muster der Sinneserfahrung und statteten sie mit dinglichen Eigenschaften aus, die einem allgemeinen Muster entsprachen. Später symbolisierten sie diese Invarianzen und vergegenwärtigten sie in Bildern und Klängen.“[6] In der Evolutionstheorie führte die Entwicklung des Selbstbewusstseins und der Einsatz des Verstandes als Vorteil im Wettbewerb der Arten zu einer Rückbildung der Instinkte und Sinnesschärfe.[7] Der Mensch trat demnach zuerst aus dem Paradies aus und die Natur versperrte ihm dann die Rückkehr.

Das ist eine außergewöhnliche Betrachtung, die wahrscheinlich einen kulturellen Hintergrund hat. Hier wird der Verstand als Vorläufer der Entwicklung und als lebenswichtiger Selektionsvorteil gepriesen. Das erinnert stark an die philosophische Interpretation der Welt in der Aufklärung, als Kant den Einsatz des Verstandes an die Spitze der erstrebenswerten Handlungsweisen und der Ethik stellte.[8]

Diese kulturelle Interpretation der Entwicklung zieht eine Reihe von Implikationen für die darauf aufbauenden ethischen Grundlagen und Anwendungen nach sich, auf die wir in weiteren Kapiteln zu sprechen kommen.

Aus einer anderen Kultur oder einer anderen Epoche würde das Modell in entgegengesetzter Wirkungsrichtung aufgestellt werden. Eine naturnahe Kultur würde den Aufbau des Verstandes als eine Notwendigkeit argumentieren, weil der Mensch den Anschluss an die natürlichen Grundlagen des Lebens, an seine Fähigkeiten und seine Gefühle und Instinkte verloren hat. Der Verstand ist nach diesem Bild der Entwicklung eine Reparaturlösung für die Verstoßung aus dem Paradies und das verlorene Vertrauen in die Natur. Nach und nach entwickelten sich dann in gegenseitiger Abhängigkeit der Verstand nach vorn und die Gefühle und Instinkte zurück. Wir können die Diskussion damit abtun, dass aus einer Gesellschaft mit naturnaher Kultur diese Frage nicht gestellt wird. Für das Verständnis einer Ethik der Macht und Stärke in der westlichen, materialistischen Kultur ist diese Gegenposition aber relevant.[9]

Der Austausch von Sprache, Bildern und Plänen begünstigt die Bildung von Organisationen und strukturierten Gemeinschaften. Die Möglichkeiten werden genutzt. Auch außerhalb des Paradieses wiederholt sich das Muster der natürlichen Entwicklung von kreativer Entdeckung der Möglichkeiten zu Entscheidungen und Ereignissen in den Randbedingungen. Von anfänglichen Invarianzen, die sich in Wiederholungen verfestigen, schreitet die Entwicklung zur vollständigen Struktur und damit zum Stillstand weiterer Aufnahme von Möglichkeiten und Bildung kreativer Potenziale.[10] Damit folgt die Bildung von Gesellschaften und Kulturen der natürlichen Entwicklungslinie, denn schließlich ist alles was sich auf der Erde oder in der gesamten bekannten Welt abspielt die „Natur“. Selbst wenn der Mensch so unnatürlich anmutende Ergebnisse wie Kernkraftwerke, Müllhalden oder Avatare hervorbringt, ist der Mensch Teil der Natur und damit auch seine verstandesgetriebene technische Kultur.

Eine anerkannte Vereinbarung über die Definition von Gesellschaft und Kultur kann es nicht geben, weil die Betrachtung immer aus einer Kultur angestellt wird und die hat sich eben in einer Region und bei einer Ansammlung von Menschen gefestigt. Eine Kultur lässt sich mit einem Wertesystem, mit Leitlinien, Tabus und Belohnungen charakterisieren. Aus unserer materialistisch atomistischen Betrachtungsweise neigen wir zu einer Zergliederung der Gesamtheit und wollen Gemeinschaften nach Wertesystemen, Wirtschaftsstrukturen, Gesellschaftsordnung oder Religionen kategorisieren. Neben und vor unserer rational quantifizierenden Kultur haben die mystischen Grundpfeiler die Gesellschaften zusammengehalten und ihre Betrachtungs- und Handlungsweisen wurden daraus abgeleitet:

  • Die Indianer Nordamerikas haben das Land als den Lebensraum für alle angesehen und für sie war der Besitz der Erde außerhalb ihres Vorstellungsvermögens. Die Vereinbarungen kamen nie zu einer Einigung, denn die Indianer sahen in den Abkommen die Teilung von Jagdgründen und die weißen Gäste kauften etwas ab, was vorher gar keinen Besitzer hatte.
  • Die Nomaden in Australien und Afrika ziehen auf den Spuren ihrer Vorfahren. Für sie hat der Begriff der Zeit keine Bedeutung, jedenfalls nicht als Messgröße für die Einteilung von Aktivitäten oder die Messung von Geschwindigkeiten. Für den zeitbezogenen Partner führt das zu Frustrationen bei der Terminverabredung.
  • In Polynesien gab es eine Geschenkekultur, in der auf potlacks und anderen Festen die Güter als Geschenke überreicht wurden. Sie wurden getauscht und der Nutzen der Güter stand nicht zur Debatte.[11] Es lag in der Hand des jeweiligen Besitzers, sie zu nutzen oder zu zerstören. Die Güter kursierten ohne einen entgegengesetzten Geldfluss.
  • Bei den Wodaabe, einem Nomadenvolk in der Sahel-Zone, ist das Zählen von Besitz ein Tabu. Das macht eine ökonomische Verhandlung unmöglich, aber sichert auch gegen Statusvergleiche und Hochmut.

„In den Kulturen der Frühzeit waren rationale, emotionale, imaginative und mystische Elemente durch innere Einheit miteinander verwoben.“[12] Eine Trennung in diese Teilbereiche erschien nicht möglich, mit dieser Basis war die Gesellschaft eng mit der Natur verbunden und in der Natur gut aufgehoben. Die unaussprechlichen Emotionen, Visionen und mystischen Erlebnisse wurden in Geschichten weitergegeben, die keinen analytischen Hintergrund über Ursachen und Wirkungen hatten. Den ließen sie beim Zuhörer. Mythen werden erzählt, um weitererzählt zu werden.

Die Geschichten generieren damit eine gemeinsame Basis, eine gemeinsame Weisheit, die Erzähler und Zuhörer verbindet und die Menschen zu einer Gemeinschaft vereint.[13] Die Geschichten entstehen aus dem Nichts und werden in der Welt zu Etwas. Sie manifestieren die kreative Unendlichkeit in eine Welt. Diese Welt wird mit den gemeinsamen Geschichten zu einer Basis der Gesellschaft. Außerhalb dieser Welt existieren andere Gesellschaften mit anderen gemeinsamen Geschichten.

Keine Logik, Kausalnexi, Überzeugungen, Erklärungen oder Machtanwendungen fügen Menschen zu einer Gesellschaft zusammen. Gesellschaften etablieren sich, indem sie gemeinsame Geschichten teilen. Geschichten der Gesellschaft haben keinen Erfinder oder ersten Erzähler. Eine Gesellschaft kann nicht mit Macht gezwungen werden, Geschichten zu akzeptieren.

Die Tibeter nehmen nicht die Geschichten der Chinesen an und sind kein Teil der chinesischen Gesellschaft, obwohl sie mit Macht in das chinesische Staatsgebiet eingegliedert wurden. Tibeter erzählen nicht die Geschichten der Chinesen. Native Americans erzählen nicht die Geschichten der Eindringlinge und ihrer „dominant culture“. Palästinenser erzählen nicht die Geschichten der Juden. Aborigines erzählen nicht die Geschichten der Einwanderer. Es gibt keine gemeinsame australische Gesellschaft.

Gesellschaften und Epochen können nicht bekämpft werden. Kämpfe finden an Grenzen und um Territorien statt. In Kriegen soll Land erobert werden. Eine Gesellschaft kann nichts verlieren, sie hat ihre Geschichten, die unendlich sind und nicht zu besiegen. Eine Epoche kann nicht mit Macht beendet werden. Die Aufklärung ist unbesiegbar, die Industrialisierung lässt sich nicht zurückdrehen, eine Religion kann nicht ungeschehen gemacht werden.

Gesellschaften ohne gemeinsame Geschichten bilden keine Kulturen aus. Mit den Gesellschaften jedoch entwickeln sich unterschiedliche Kulturen, Epochen oder Weltbilder. Für die Entwicklung der Gedanken in diesem Text ist die weitere Differenzierung nicht hilfreich. Weltbilder können von Kulturen angenommen werden, die Japaner, Chinesen und andere Gesellschaften haben auf ihre Kultur das technisch materialistische Weltbild gesetzt. Epochen reflektieren den Zeitgeist und übergreifen teilweise auch Gesellschaften.

[1] Hinweis auf den Exkurs zu Cantor oder Zermelo

[2] Siehe dazu auch die Texte zur Induktion und zur Naturwissenschaft

[3] Conrad Lorenz hat als einer der bekanntesten Tierforscher die Verhaltensmuster der Gänse herausgefunden und aufgeschrieben.

[4] Zu den Details s. das Kapitel über die Abhängigkeiten.

[5] Aus das hier entwickelte Modell der menschlichen „Systemebenen“ ist mit dem Verstand entwickelt und aufgeschrieben.

[6] E. Laszlo, 1998: S. 90

[7] ebd.

[8] S. dazu das Kap. ... über die Philosophie der westlichen Kultur.

[9] In der Abwägung dieser beiden Erklärungsmodelle müssen wir in Betracht ziehen, dass der Verstand (oder die Großhirnrinde) über sich selbst Gericht sitzen soll. Und diese Herausforderung steht in der Gefahr des unendlichen Regresses, wenn die Frage zugespitzt wird: das Gehirn soll denkend die Frage beantworten ob es lebenswichtig denken kann.

[10] Siehe zu diesem Paradigma den Beitrag zum Lebensbild.

[11] Marcel Maus, Die Gabe,...

[12] E. Lazlo, Systemtheorie, S. 94

[13] J.P. Carse, S. 168