Welt

 

Die Welt soll der umfassende Begriff für alles sein was durch unsere Teilhabe entsteht. Ohne unsere Teilhabe ist keine Welt.

Berkeley hat die bekannte Frage gestellt: „Wenn im Wald ein Baum umfällt und niemand da ist der das hört, macht der fallende Baum ein Geräusch?“ Es gibt außerhalb unserer Sinne keine Geräusche, Farben, Bilder, Musik, Düfte, Strukturen, Geschmack. Der Baum macht kein Geräusch, er ist nicht grün, er riecht nicht und seine Blätter haben keinen Geschmack. Ohne unsere Teilhabe findet im Universum nichts statt.

Wenn wir also von einer „Wahr“nehmung sprechen ist dieser Begriff irreführend, denn tatsächlich ist die Welt nur von subjektiver Wahrheit. Jedes Wesen hat eine andere Wahrnehmung und somit eine andere Wahrheit. Die wichtigste Voraussetzung für die Welt und das gesamte Universum ist unsere Teilhabe daran.[1]

Wir nehmen mit unseren Sinnen an der Welt teil. Jedes Wesen nimmt mit seinen Sinnen an der Welt teil. Außerhalb der Welt an der wir teilhaben gibt es Etwas von anderer Wahrheit, das andere Wesen mit anderen Sinnen wahrnehmen. Auch wenn es nicht zu unserer Welt gehört, weil unsere Sinne uns nicht befähigen daran teilzuhaben, so ist es doch eine andere Wahrheit, eine andere Welt, eine andere Wirklichkeit.

Jedes Wesen hat seine Welt

Weil es unterschiedliche Wirklichkeiten gibt, sieht jeder auch andere Zusammenhänge zwischen den Ursachen und Wirkungen. Jeder Mensch wird nur die Ursachen mit Wirkungen zusammenbringen, die innerhalb seiner Wahrheiten, seiner Sinneswahrnehmungen liegen. Da die Wahrnehmungen eng begrenzt sind, sind es die Ursache-Wirkungsbeziehungen ebenfalls.

Der Mensch ist ein Wesen, dass sich mit anderen Menschen abstimmt. Das hat er mit allen Wesen gemeinsam, die sich fortpflanzen. Schon mit dieser Aufgabe kommt die Kommunikation in das Spiel des Lebens. Die Verständigung wird sich an die Fähigkeiten der schwachen Wesen einer Gruppe anpassen, sofern das für das Leben und Überleben von Bedeutung ist. Die Fähigkeiten sind in Gruppen unterschiedlich verteilt. Man wird nach Übereinstimmungen suchen, nach den größten Gemeinsamkeiten, die von den meisten Mitgliedern des Stammes oder des Volkes erreichbar sind. Eine Erziehung hat das Ziel, die Gemeinsamkeiten zu vermehren, damit möglichst viele Menschen an der gemeinsamen Welt teilnehmen können.

Die Konventionen werden durch die Sprache eingeschränkt, durch Tabus, durch Kultur und gemeinsame Erlebnisse. Das Gemeinsame nennen wir die Welt. Damit ist die Welt immer von schwächerem Umfang als die Natur oder das Leben. Die Welt ist endlich, das Leben mit den Gefühlen ist unendlich, die Natur ist beides.[2]

Es ist wenig verwunderlich, dass sich sowohl philosophisch als auch praktisch unterschiedliche Auffassungen über die Welt entwickelt haben. Jeder Mensch hat schon seine eigene Welt, die er mit anderen Menschen abstimmen will. Jedes nicht menschliche Wesen entwickelt über seine Gefühle und Sinneswahrnehmungen eine Welt, die es meist mit dem Menschen nicht abstimmen kann. Es fehlt die Sprache, die Mimik und andere Ausdrucksformen, über die eine Abstimmung möglich wäre. In dem schamanischen Bewusstsein gibt es die emotionale Ebene oder die spirituelle Ebene, die mehr Kommunikation ermöglicht. Der Schamane hat seine Welt, und eine andere Wahrnehmung der Welt der anderen Wesen.

Schließ die Augen und Du wirst sehen

Die Welt ändert sich nicht nur mit den Erkenntnissen, sondern auch mit den Ereignissen und den früheren Erfahrungen, der Erziehung, der Prägung und den Umweltbedingungen. Die Welt der Philosophen der westlichen Gesellschaft ist an den Fundamenten schon unterschiedlich.

Die Welt ist die Bezeichnung für die Wirklichkeit, die der Mensch verabredet.

Metaphysik der Welt

Die Welt als Wille und Vorstellung. (Schopenhauer)

Die Welt als Raum und Zeit. (Friedmann)[3]

Die Welt ist was der Fall ist. (Wittgenstein)

Alle diese Formulierungen weisen auf die menschlichen Vorstellungen zugängliche Welt hin. Eine Welt außerhalb dieser Vorstellungen ist nicht denkbar. Viele Welten sind innerhalb dieser Vorstellungen gedacht worden. Die allgemeine Formulierung der denkbaren Welten ist in der quantifizierten Theorie verallgemeinert. Die quantifizierte Theorie postuliert Grundsätze im Sinne des Wortes und baut darauf nach logischen Prinzipien abgeleitete Aussagen auf. Das entstehende Bild der Welt ist demnach folgerichtig und in sich abgeschlossen.

Das Weltbild ist aber nie vollständig, weil die Grundsätze nie vollständig sein können. Die quantifizierte Theorie enthält nur Grundsätze, die formuliert werden können und in dem Sinne quantifizierbar sind. Jede in Worten oder Symbolen festgelegte Grundlage einer Welt ist endlich, denn die Worte und Symbole sind endlich.

So wurde die Natur zum Zwecke ihrer Beschreibung in unterschiedlichen Welten eingegrenzt. Philosophen oder Physiker definieren ihr Untersuchungsfeld und schließen es gegen Einflüsse des Lebens und seiner Möglichkeiten ab.

Die Begrenzung der Welt auf Materie (Kant).
Die Begrenzung der Welt auf Geometrie (Euklid, Descartes, Newton)
Die Begrenzung der Welt auf Masse (Einstein)
Die Begrenzung der Welt auf Energie (Weyl, Bohm)

Die Welt ist offen

Eine offene Welt hat qualitative Grundlagen und ist unbeschreiblich.

Erst der Mensch versucht eine Welt im Leben zu beschreiben. Diese Beschreibung versteht außer ihm aber kein anderes Wesen. Der Mensch stellt Fragen an die Natur. Kein anderes Wesen kennt das Prinzip von Fragen und Antworten, also beantworten Menschen die Fragen selbst. Die Natur wurde vom Leben geboren als eine Möglichkeit von Rahmenbedingungen, in denen die unendliche Liebe des Lebens sich materialisiert. Aus einer schamanischen, naturnahen Betrachtung kommt die Möglichkeit des Lebens als reine Qualität aus dem Soolago. Die Liebe bindet sich synergetisch an das vergangene Leben, an die Materie. Wir, die Menschen erkennen daraus das Prinzip des Lebens: Das Leben entsteht mit vergangenem Leben. (Biogenese)

Wir haben keine Vorstellung davon, dass es andere Prinzipien des Lebens gibt. Wir bauen in unserer westlichen Gesellschaft der Neuzeit ein Bild der Welt und gründen darauf das Zusammenleben. Dabei ist die materialistische Konzeption der Natur ungenügend und kann auf das wirkliche Leben nicht angewendet werden. Und so kommen nach und nach die Bilder der Welt an ihre Grenzen. Mit den Werkzeugen der Logik und der Mathematik werden die selbst gelegten Fundamente zerstört.

Gödel hat nachgewiesen, dass eine geschlossene Welt immer einen unerklärlichen Rest hat, genauer: Es gibt immer eine Aussage, die in einer geschlossenen Welt nicht bewiesen werden kann, sondern auf der nächst höheren Ebene geprüft werden muss (Unvollständigkeitssatz).[4] Der Unvollständigkeitssatz bezieht sich in der ursprünglichen Fassung von Gödel auf rein mathematische Systeme und kann nicht ohne weiteres auf allgemeine Systeme der Wissenschaft oder der Gesellschaft oder der Kultur übertragen werden. In mathematischen Systemen werden aus wenigen Axiomen mit Hilfe von logischen Verknüpfungen einfache, beweisbare Sätze abgeleitet.

"Ich mag keine Naturwissenschaften."
(Kurt Gödel)

Kant hat diese Art des logischen Schlusses auf allgemeine Aussagen erweitert und daraus Sätze einer Metaphysik 'bewiesen'. Seinen Beweisen fehlt allerdings die logische Stringenz der mathematischen, funktionalen Schlussfolgerungen, er formuliert mit wortgeführter plausibler Logik. Die Grenzen einer Formallogik muss er fallen lassen, da ansonsten die Randbedingungen der Aussagen und ihrer Beweise zu sehr eingeschränkt werden.[5]

In einer kantischen Handhabung zu den von Gödel aufgeworfenen Fragen der Beweisbarkeit von Aussagen innerhalb und außerhalb von Systemen kommt man zu dem Ergebnis, dass jedes abgeschlossene System mindestens eine Aussage hat, die unbeweisbar innerhalb der Grenzen ist. Sie lautet: "Jede Wirkung hat ihre Ursache innerhalb des Systems."

In Bezug auf Natur und den Teilbereich der Welt, den wir hier besprechen, dreht Kant die Reihenfolge und die Wirkungsketten um. Bei ihm ist die Natur der Inbegriff von allem, was nach Gesetzen bestimmt existiert. Die Welt hingegen ist dem übergeordnet und liefert in der Metaphysik die Theorie für die Naturuntersuchung.[6] Nach Kant ist die Natur also nach Gesetzen organisiert und hat einen Zweck und ein Ziel. Der Zweck lässt sich durch die reine Vernunft ergründen. Das Ziel oder teleologische Prinzip versucht er an den Menschenrassen zu beweisen.

Das Naturell der Einwohner von Amerika (er meint die Indianer mit einer Hautfarbe wie ‚Eisenrost mit Öl‘) ist nicht an das dortige Klima angepasst. Das ist nach seiner Recherche der Hauptgrund „warum diese Rasse, zu schwach für schwere Arbeit, zu gleichgültig für emsige, und unfähig zu aller Kultur... noch tief unter dem Neger selbst steht, welcher doch die niedrigste unter allen übrigen Stufen einnimmt, die wir als Rassenverschiedenheiten genannt haben.“[7]

Über diesen offensichtlichen Unsinn ließe sich hinwegsehen, wenn Kant nicht als ein Begründer unserer Ethik und der materialistischen Kultur hoch angesehen wäre. Seinen Überlegungen ist auch entsprungen, „daß in jeder besonderen Naturlehre nur so viel eigentliche Wissenschaft angetroffen werden können, als darin Mathematik anzutreffen ist.“[8] Und so wird die Natur vom Vordenker unserer Kultur unter die Welt eingeordnet und fristet dort ein Dasein als Ressource für die oberste Rasse der Menschen. Sie werden die Gesetze der Natur entschlüsseln und diese Ressource für sich ausbeuten.

Wenn alles entschlüsselt ist, wird die Natur vorhersehbar sein. Keine überraschenden Rückwirkungen auf die Welt des Menschen werden wir beobachten. Das Gegenteil ist eingetreten. Die Natur ist voller Überraschungen und schon kleine klimatische Veränderungen werden die Welt bedrohen. Schon kleinste Viren stellen die Struktur der Gesellschaft vor unüberwindbare Probleme. Die Natur steht ganz offensichtlich über der Welt des Menschen.

Der Mensch ist von der Natur abhängig.

Welche fatalen Folgen die Kant’sche Verwechslung der Abhängigkeiten hat, werden wir nach und nach erfahren, wenn uns die Folgen der Ignoranz den Lebensraum nehmen und die Welt des Immanuel Kant ermattet in die Natur zurückfällt.

[1] Dieser Aufbau eines Bildes der Welt über die Beobachtung wird „Induktion“ genannt. Es liefert den Rahmen für die Wissenschaften der Neuzeit, insbesondere die Naturwissenschaften. Seine Begründung geht auf Francis Bacon zurück. Das Bild der Welt wird also immer auf die Wahrnehmung durch die Sinne begrenzt werden, allenfalls um ausgeklügelte technische Hilfsmittel und Werkzeuge ergänzt, die Sinneswahrnehmungen verstärken. Der Mensch erfindet in diesem Sinne nichts, sondern findet etwas Neues, indem er die gleichen Phänomene oder materiellen Gegenstände mit feineren Methoden analysiert.
[2] Siehe zu den Begriffsbestimmungen ‚Endlich‘ und ‚Unendlich‘ den Text
[3] Alexander Friedmann: Die Welt als Raum und Zeit, 1923. Friedmann hat seine wissenschaftliche Arbeit der Kosmologie gewidmet. Ich reihe ihn bei den Philosophen ein, da er wesentliche Grundlagen der Relativitätstheorie in ihrer Bedeutung für das naturwissenschaftliche Bild der Welt aufbereitet hat. Seine Überlegungen zur physikalischen Welt betten die Materie in eine Weltgeometrie ein. Er weist nach, dass die Annahmen zu einer logisch-mathematischen Struktur der Welt willkürlich sind.
[4] Kurt Gödel; On Formally Undecidable Propositions of Principia Mathematica and Related Systems, New York, 1962.
[5] Kant, I. Schriften zur Naturphilosophie, Wiesbaden 1996. Kant beweist mit dieser Methodik Sätze wie: ‚Die Materie ist ins Unendliche teilbar, und zwar in Teile, deren jeder wiederum Materie ist.‘ Er verkennt, dass die Versuche die Unendlichkeit rein mathematisch auszudrücken, allesamt gescheitert sind. Und damit muss auch sein Beweis der Unendlichkeit der Materie ins Leere laufen.
[6] Ebda. S. 139
[7] Ebda. S. 159, 160
[8] Ebda. S. 14