Wahrnehmung

 

Das Seerosengleichnis

Bei der Besprechung der Wirklichkeit haben wir individuelle Abgrenzungen und gemeinsame Wirklichkeiten gefunden. Das Fundament der Wirklichkeit[1] ist die Wahrnehmung und wie wir gleichsehen werden, die Akzeptanz der Wahrnehmung. Eine gemeinsame Wahrnehmung bedarf einer Erklärung. Sie ist etwas anderes, als die Summe einzelner Wahrnehmungen. Eine Wahrnehmung wird zur Wirklichkeit, indem sie akzeptiert wird. Wahrnehmungen, die nicht akzeptiert werden, belegen wir mit anderen Begriffen, wie Sinnestäuschungen, Halluzinationen, Hirngespinste, Geistersehen, usw. Sie werden nicht zu einer Wirklichkeit und eben auch nicht zu einer gemeinsamen, interaktionistischen Wirklichkeit.

Die Wirklichkeit schwimmt auf einem See der Wahrnehmung. Wie Seerosen kann die Wirklichkeit zunehmen und mehr vom See der Wahrnehmung bedecken. Zusätzlich zu der individuellen Wirklichkeit gibt es immer Wahrnehmungen außerhalb der eigenen Welt, die unwirklich erscheinen. Das ist unvermeidlich, sonst hätte die Wirklichkeit keine eigene Identität. Ich kann mir vorstellen, dass das Großhirn des Menschen die Wahrnehmung filtert. Demnach fügt es eine Seerose der Wirklichkeit hinzu, wenn es eine Wahrnehmung akzeptiert. Wahrnehmungen, die nicht akzeptiert werden, bleiben in dem See der möglichen Wirklichkeit und werden nicht in Seerosen gebunden.

Das Bild führt uns zu der Frage: Wann entstehen Seerosen? Die Antwort holen wir weit zurück aus einem Bewusstsein nach der Geburt oder möglicherweise noch davor. Das soll hier und jetzt nicht beachtet werden.

Wir wenden uns der Frage zu: Gibt es einen klaren Rand des Seerosenfeldes, der akzeptierten Wirklichkeit?

Wir spüren am Rand entlang, wenn wir versuchen, die Wirklichkeit einzugrenzen. Um es einfach zu halten, betrachten wir unsere eigene Wirklichkeit, noch bevor wir sie kommunizieren. Wir werden sehen, dass dieses Unterfangen schon schwierig genug ist. Zu der verabredeten Wirklichkeit habe ich einen eigenen Text geschrieben, den wir gern thematisch hier anschließen können. Bei den Verabredungen treffen Erwartungen, Weltbilder und Erfahrungen auf die Möglichkeiten der Wahrnehmung und dann wird es kompliziert.

Bleiben wir also erst einmal bei den eigenen Wahrnehmungen, bei den eigenen Seerosen und der eigenen Wirklichkeit. Sie lässt sich schon in unserem inneren Bewusstsein nur unzureichend festlegen, denn die Wirklichkeit ist nicht deterministisch. Das zu Beschreibende geht mit einem fließenden Übergang von einem Status in den anderen. Gehen wir für die Erläuterung von dem Seerosenbild weg, wir kommen später wieder darauf zurück.

 

Wahrnehmung fließt zu Wirklichkeit

 

Der Übergang von der Wahrnehmung zu Wirklichkeit ist diffus. Ein einfaches Beispiel soll das illustrieren. Nehmen wir an, wir haben zwei Farben blau und gelb. Der gelben Farbe mischen wir nach und nach das Blau bei. Der Start ist also Gelb. Gelb ist in unserm Bild die Wahrnehmung. Mit mehr Blau fällt das System nach und nach aus dem Gelb in ein Grün. Die Wahrnehmung wird uns bewusst. Wir fluten das Grün nun mit weiterem Blau und es bleiben kaum sichtbare Spuren von Gelb im Blau. Blau ist die Wirklichkeit - die ursprünglich unwirkliche Wahrnehmung ist zur Wirklichkeit geworden.

Du sitzt jeden Morgen beim Frühstück und schaust auf die Wiese. Vögelchen fliegen hin und her und zwitschern. Manche sitzen dort oder hüpfen hin und her. Nichts Besonderes, ein wenig chaotische Bewegung - das ist die Farbe Gelb. Eines Morgens bemerkst Du ein Vögelchen mit grünem Gefieder und einem roten Hals. War es schon immer dabei?

Am nächsten Morgen wartest Du auf den kleinen Rothals. Er schaut dich an und nun weißt Du: Ja, er war schon immer dabei und er hat Dich jedes Mal angeschaut. Du guckst zurück und er wird Dir bewusst. Du bist in der Farbe Grün.

Obwohl Du gerade gefrühstückt hast, verspürst Du ein leichtes Hungergefühl. Es ist nicht Dein Gefühl. Du schaust zu Deinem kleinen roten Freund, der zu Deinem grünen Bewusstsein gehört und Du fühlst seinen Hunger. Du wirfst ihm einen Brotkrumen rüber und Du spürst seine Freude, mit der er an dem Krumen pickt. Ein kleiner Schritt noch und Du bist im Blau. Du akzeptierst nicht nur den kleinen Vogel in Deiner Welt, sondern Du nimmst die Erweiterung Deiner Wirklichkeit an.

Die neue Seerose auf Deinem See der Wahrnehmung ist die Erkenntnis, dass dieser Vogel mit Dir kommuniziert und dass es die Gefühle sind, die euch miteinander verbinden. Die Seerose kann neue Triebe auf Deinem See ausbringen. Du fasst Vertrauen in die Natur und versuchst das Gefühl zu erweitern. Andere Vögel anzufühlen ist naheliegend, aber wird das auch mit einem Baum erfahrbar? Wenn Du Dein Rückgrat mit dem Baum verbindest, was fühlst Du? Wenn es nicht Dein Gefühl ist,
dann ist es eine Nachricht des Baumes.

 

Erfühle Nachrichten

 

Erscheint Dir das zu unwirklich, dann ist Deine Seerose noch nicht kräftig genug. Mit jeder Auffrischung der Erfahrung bestärkst Du Deine neue Wirklichkeit. Die zugehörige Wahrnehmung dringt bis in Deine Welt vor und schafft die Wirklichkeit für Dich.
Dein Seerosenfeld wird größer.

Du akzeptierst, dass der Mensch in der Natur gedeiht und dort gut behütet ist, Er ist untrennbar mit der Natur vereint und nimmt keine beherrschende Rolle ein. Ist das eine Seerose? Das kannst Du so bezeichnen. Es ist also Deine Wirklichkeit und Du erkennst an diesem Beispiel, dass andere Menschen eigene Wirklichkeiten haben. Ihr teilt nicht die gleichen Seerosen. Sie haben möglicherweise die Seerose aus der Erziehung mitgenommen, dass der Mensch eine bevorzugte Spezies in der Natur ist, oder dass er sogar über der Natur steht. Es wird schwer, die Individuellen Wirklichkeiten abzugleichen.

Bleiben wir bei Deinen Seerosen: Kommunikation mit Gefühlen ist eine Basis der Verständigung in der Natur und der Mensch ist ein integrales Geschöpf in der Natur.

Menschen verständigen sich über die Gefühle.

 

Deine Seerose ist stark und blau

 

[1] Die gemeinsam verabredeten Wirklichkeiten nennt … interaktionistisch.