Auf der Suche nach dem ersten Stein
Leben, Metaphysik und die Welt.
Atomistik in der Naturwissenschaft
Die griechischen Philosophen brachten mit der Idee einer vom Menschen erkennbaren Ordnung eine völlig neue Dimension in die Interpretation der Wirklichkeit. Seit diesen Anfängen haben wir eine Sicht auf die Welt, die wir ‚Naturwissenschaft‘ nennen. Die sogenannte Naturwissenschaft gibt es nur in den Ländern und Kulturen, die von dem griechischen Weltbild beeinflusst sind. Damit sind nicht nur die Länder der Antike gemeint, die von Griechen besetzt wurden, sondern auch alle von der Renaissance geprägten Gesellschaften.
Die Naturwissenschaft ist eine mögliche Annäherung an die unbekannte Wirklichkeit. Die Natur, die als Objekt der Wissenschaften betrachtet wird, zeigt uns eine unglaubliche Vielzahl von Lebensformen. Jede hat sich an die Randbedingungen seiner Existenz angepasst und jede Existenz gestaltet diese Randbedingungen für sich und für andere Lebewesen mit. Die Suche nach einer Ordnung, die aufeinander aufbauende Prinzipien und Gesetze findet, die der menschliche Verstand durchdringen und erinnern kann, ist erst mit einer Trennung von der Natur denkbar.[3] Das ist nur eine Annäherung an die Beobachtungen der Erscheinungen, die uns von der Physik präsentiert wird.[4]
Mit der Trennung von der Natur sieht sich der Wissenschaftler in der Lage, eine Analytik anzuwenden und die beobachtete Welt in immer kleinere und mutmaßlich einfachere Bestandteile zu zergliedern. Die für das Zusammenspiel der Teile formulierten Gesetze werden immer abstrakter fernab unserer Wirklichkeit und sollen angeblich immer grundlegender ein Konzept für die materialistische Welt beschreiben. Weiter unten auf dem Grund der Erkenntnis werden die Bestandteile und Zusammenhänge allerdings immer komplizierter und schwerer vorstellbar.
Die Quanten realisieren sich erst mit der Beobachtung und heben damit die anfängliche Trennung zwischen dem Beobachter und seinem Experiment wieder auf. Die Natur hat uns wieder eingeholt. Die Beschreibungen der Quantenphysik sind extrem kompliziert und widerlegen damit die Erwartung, mit atomistischer Vorgehensweise würde der Mensch die einfachen Grundlagen der Materie entdecken können. Die Quantenphysik ist aus der Sicht eines beobachtenden Wissenschaftlers so kompliziert, denn er muss sich selbst verleugnen. Das Experiment wird nur funktionieren, wenn das Quantum erscheint und es erscheint nur, wenn es beobachtet wird. Ansonsten hat es keinen Ort, keinen Weg, keine Masse und keine Zeit. Es ist nur die Möglichkeit einer Materie. Der Beobachter kann keine unbeteiligte Position einnehmen, wie es bei den Versuchen der alten Mechanik als Voraussetzung formuliert ist. Diese gegenseitige Beeinflussung macht die Quantenphysik so kompliziert.
Das Wasser ist der fundamentale Stoff aus der Erde, den jedes Leben auf der Erde braucht. Ohne Wasser gibt es kein Leben. Wasser wurde in seinen Bestandteilen untersucht und die Chemiker sind sich einig, dass ein Wassermolekül aus zwei Atomen Wasserstoff und einem Atom Sauerstoff besteht. Das ist das Ergebnis der atomistischen Denk- und Untersuchungsweise. Man könnte meinen, dass nun der Durchbruch erzielt ist und die Atomistik bewiesen ist. Wasser ist in seiner Mechanik ungefähr wie eine Kugel, um die zwei weitere kleine Kugeln schwirren – H2O. Das ist ein Bild aus der Newton‘schen Mechanik. Zu dieser Zeit gab es den Begriff der ‚Energie‘ noch gar nicht und nichts konnte den Zusammenhalt der Kugeln zu einem Wassermolekül beschreiben. Heute gibt es die zugehörige Theorie, welche und wie viel Energie das Molekül braucht, um die Atome festzuhalten. Aber selbst das reicht noch nicht aus, um aus Wassermolekülen ein Glas Wasser zu basteln. Wir wissen noch immer nicht, was eine Ansammlung von Molekülen zu Wasser macht.
Atomistik mag beschreiben, wie man eine Ganzheit zerlegt. Sie hat aber kein Konzept, wie Teile des Lebens wieder zu einem Leben zusammengefügt werden. Selbst die mutmaßlich fundamentale Basis stellt sich bei genauerer Betrachtung als komplizierte Ausgangsposition dar. Das Wasser als der Urstoff des Lebens ist noch immer nicht verstanden. Es kann flüssig, gasförmig oder fest sein. Es kann Informationen enthalten und weitergeben. Wasser ist in der Erde und setzt das Leben in Gang.
Die Trennung des Lebendigen in Einzelteile – und sei es auch nur gedanklich – macht nichts einfacher oder verständlicher. Die einzelnen Elemente werden kompliziert und unvollständig, wenn ihnen die Prägung des Ganzen fehlt. Es gibt keine Einzelteile im Lebendigen, denn der Zellhaufen hat erst im Körper seine Bestimmung. Außerhalb des Körpers ist eine Leber ein Zellhaufen ohne Bestimmung. Das Leben hat keine Funktion, es ist mehr als eine Maschine. Deshalb ist es tot, wenn man es auseinandernimmt, um nach seiner Funktion zu suchen.
Atomistik ist nur auf Totes anwendbar.
Nur Totes lässt sich zusammensetzen und erfüllt dann eine Funktion. Ein Zahnrad ist auch außerhalb der Maschine ein Zahnrad.
Menschen sind komplizierte Individuen. Erst in der Zusammenfassung zu Gruppen, gesellschaftlichen Schichten oder Gemeinschaften werden die Eigenschaften und Verhaltensweisen einfacher beschreibbar. Andererseits werden Menschen aber auch von den Kulturen, den ethischen Ursprüngen und den individuellen Randbedingungen geprägt. Diese wechselseitige Einflussnahme auf die Potenziale setzt die lebendige Entwicklung in Gang und stellt das Konzept der einfachen linearen Abhängigkeit nach oben oder nach unten in Frage. Das vereinfachte Bild der Welt als materialistisch beschreibbares System ist kein Abbild der Wirklichkeit und taugt nicht zur Beschreibung des Lebens.
Das von der Naturwissenschaft geprägte physikalische Weltbild baut den Menschen als berechenbare tote Einheit mit Funktionen in das frei erfundene Bild einer Welt ein.[1] Dieses Bild fernab einer unberechenbaren Natur und eines kreativen Lebens wurde von den europäischen Imperialisten in die kolonialisierte Welt getragen. Die Macht der Eroberer presste die Weltanschauung in die fernsten Länder und verdrängte die gewachsenen Kulturen, die in allen Fällen naturnahe animistische Grundlagen hatten.
[1] So schreibt Einstein: „Die Naturwissenschaft ist nicht bloß eine Sammlung von Gesetzen, ein Katalog zusammenhängender Fakten. Sie ist eine Schöpfung des Menschengeistes mit all den frei erfundenen Ideen und Begriffen, wie sie derartigen Gedankengebäuden eigen sind. Physikalische Theorien sind Versuche zur Ausbildung eines Weltbildes und zur Herstellung eines Zusammenhanges zwischen diesem und dem weiten reich der sinnlichen Wahrnehmungen.“ Einstein, Imfeld: Evolution der Physik, S. 342.