Welt

 

In vielen Zivilisationen beschreiben die Menschen eine Welt, in der sie leben. Damit ist im westlichen Kulturkreis das physikalische Universum gemeint, das von den Lebewesen wahrgenommen wird. Die Welt hat Grenzen und die Welt ist beschreibbar, womit ein Bild der Welt ermöglicht wird, das zwischen den Menschen kommuniziert wird. In einem theologischen Verständnis ist die Welt das Materielle, Säkulare im Gegensatz zu dem Göttlichen und Ewigen. In einem sozialen Kontext setzt die Welt Normen und Regeln, denen der Mensch sich fügen soll, ansonsten wird er als ‚weltfremd’ bezeichnet.

Ein Mensch, der fremd in der Welt ist, lebt aber trotzdem. So spricht manches dafür, dass die Natur sich nicht in die Welt einordnen lässt, denn sie ist kein harmonischer Kosmos im altgriechischen Sinne, sondern ein chaotisch unorganisiertes Gefüge. Die Welt ist in weiten Bereichen mit naturwissenschaftlich exakten Methoden beschreibbar, sie hat zum Beispiel eine Weltgeschichte. Strukturen und Regeln sollen weltweit gelten und eine Weltkarte bezieht sich auf die physikalisch erfassbare Erde oder das Weltall.

Das Leben wird häufig anhand seiner Aktivitäten beschrieben, wie der Reaktion auf seine Umwelt, dem Stoffwechsel, dem Wachstum oder der Fortpflanzung. Die Entstehung des Lebens ist trotz aller wissenschaftlichen Bemühungen unerklärt. In physikalischen Begriffen wird versucht, das Leben als die mit Energie zusammengehaltene Ordnung in abgegrenzten Wesen zu erklären.[1] Das ist eine kulturelle Deutung der physikalisch begründeten Weltanschauung mit der ebenso seelenlose Maschinen erklärt werden. Die technische Zivilisation hat das Leben der Physik übergeben und die Welt zurückbekommen.

Aus einer schamanischen Perspektive wird das Leben gerade dadurch charakterisiert, dass es sich an chaotische Verhältnisse anpasst und seine Möglichkeiten zur Fortsetzung des Lebens findet. Das Leben wird an der Seele erkannt, nicht am Körper. Ein Körper kann leblos sein und übergibt dann seine Reste an die materielle Welt. Eine Seele ist körperlos. Aber sie beeinflusst den Körper und macht sich über den Körper bemerkbar. Dazu braucht die Seele einen lebenden Körper. Das Leben ist eine Ausdrucksmöglichkeit der Seele und es durchdringt die Welt.

Das Bild der Welt

Kein Wesen braucht ein Bild der Welt. Das Leben wird gelebt, unabhängig davon ob das Bild der Welt vollständig, richtig oder verständlich ist. Ein Delphin nimmt das Wasser nicht wahr, sowenig wie der Vogel die Luft spürt. Die Natur sorgt für alle Lebewesen in ihren jeweiligen Rahmenbedingungen in einer Weise, die seinen Fähigkeiten die Möglichkeiten bietet. Sein eigenes Lebensprinzip ist dem Wesen unbekannt. Die Honigbiene weiß nichts über das Aufbauprinzip des Bienenstaates. Die Blätter wissen nicht, wie der Baumstamm das Wasser aus der Erde in die luftigen Höhen transportiert. Der Mensch weiß nicht, wie die Informationen aus den Leben seiner Vorfahren in seinen Genen abgebildet werden.

Für das eigene Überleben reicht es, die Möglichkeiten intuitiv zu erkennen und nach seinen Fähigkeiten zu ergreifen. Eine Ordnung oder Strukturierung der wahrgenommenen Welt mit dem Verstand ist keine notwendige Bedingung für Leben. Jedes Wesen ohne diesen strukturierenden Verstand kann leben. Die Akzeptanz der Welt aus Möglichkeiten braucht keinen Verstand, der die Welt errichtet. In dem Vertrauen auf die Barmherzigkeit der Natur lebt jedes Wesen in Sicherheit. Allein das Gefühl reicht für das Leben und das Überleben aus. Gefühle werden mit allen Wesen und wahrnehmbaren Erscheinungen ausgetauscht und sichern die Anbindung an die Natur.

Die Trennung von der Natur und den Gefühlen trennt von der Unendlichkeit und von der Sicherheit. Der Verstand des Menschen vollführt die Trennung und bietet als Ersatz für die verlorene Sicherheit in der Natur eine stabile, berechenbare und quantifizierte Struktur an. Der Träger dieser Struktur ist die Kultur. In der technischen Kultur der Neuzeit wird der Verstand mit einem anthropozentrischen Weltbild zur Grundlage der Kultur bestimmt. Darin kann der Verstand die wahrgenommenen Möglichkeiten einordnen, sofern sie quantifizierbar sind. Zur Strukturierung werden die unendlichen Möglichkeiten der Natur auf die quantifizierbaren Alternativen eingegrenzt. So wird das Gefühl der Sicherheit ebenfalls quantifiziert als Berechenbarkeit oder Planbarkeit oder Funktionstüchtigkeit. Aus den Lebensgefühlen wird die Verstandeswelt als ein Teilbereich.

Das Gefühl ist Leben.

Die Welt des Verstandes hat keine Bezeichnung in unserer Kultur, obwohl sie zweifellos die Grundlage unserer gesellschaftlichen Strukturen, unserer Politik, unserer Wissenschaft und Technik und unserer Ökonomie ist.[2] Die Gleichsetzung der Verstandeswelt mit der Natur und den Gefühlen für das Leben ist eine zu grobe Vereinfachung. Das Leben ist die Basis, weil es ohne Leben keine Verstandeswelt gäbe. Und doch ist die Verstandeswelt ein konstitutiver Bestandteil unserer technischen Kultur. Sie hat eine Basis entwickelt und zur Grundlage ihrer Technik gemacht. Die Grundlage wird ‚Naturwissenschaft‘ genannt.

Diese Bezeichnung reflektiert den Anspruch der Renaissance und Aufklärung mit mathematischen Hilfsmitteln und empirischen Daten die Gesetze hinter den Beobachtungen der Natur zu finden. Mit der Beschränkung auf die beobachtbaren Phänomene hat diese Wissenschaft nur einen Teilbereich der Natur zum Gegenstand, nämlich den materiellen Teil. Die Theorien über die gefundenen Strukturen und Regelmäßigkeiten in der Natur sollen aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass in den Naturwissenschaften nur ein unvollständiger Teilbereich beschrieben und erklärt wird, der für Vorgänge in der Natur und die kreativen Lebensprozesse keine Bedeutung hat.

Der Verstand strukturiert aus den Gefühlen eine geometrische Welt, die seinen Raumvorstellungen genügt. Diese Raumvorstellungen führen ihn zu einer Geometrie. Weil die Geometrie eine gewisse Ordnung haben soll, die sie kommunizierbar macht, werden der Geometrie einfache Regeln unterlegt, die intuitiv nachvollziehbar sind. Solche einfachen Prinzipien sind zum Beispiel: Es gibt eine Strecke und die ist gerade. Es gibt einen Winkel und der ist ein rechter, wenn er in bestimmter Art zwischen Strecken liegt.[3]

Die schamanische Anschauung quantifiziert nicht. Sie richtet ihre Aufmerksamkeit auf die Gefühlsebene auf der nichts sinnvoll zu quantifizieren ist. Es gibt keine vierfache Zuneigung oder fünffache Liebe. In der schamanischen Wahrnehmung gibt es keine dreifache Kraft oder doppelt so lange Zeit. Ereignisse haben einen Zusammenhang, der sich nicht analytisch durchdringen lässt. Sie passen oftmals nicht zueinander und der Sinn ihres Zusammentreffens erschließt sich erst allmählich, wenn die Wahrnehmung nach und nach die Puzzlestücke des Bildes zeigt. Meine schamanischen Lehrer haben mir die Aufmerksamkeit mitgegeben, die Ereignisse zu erkennen und das Vertrauen, aus dem Gefühl heraus zu handeln:

 

‚The sense comes after the doing.‘

 

Das Handeln ohne abschätzbare Zusammenhänge und ohne Erwartungen zu den Ergebnissen und Konsequenzen, erfordert ein hohes Vertrauen in die Kräfte der Spirits oder der Mutter Erde oder des Lebens. Die schamanische Erfahrung stärkt das Vertrauen soweit, dass ich meinen Spirits mehr vertraue, als mir selbst.

Der Verstand präsentiert uns Ordnungen, die das Vertrauen in die Natur durch das Vertrauen in mathematische oder physikalische Theorien ersetzen sollen. Das ist besonders dann ein hohes Risiko, wenn die Ordnungen der ‚Naturwissenschaft‘ nichts mit der Natur gemeinsam haben. Die Natur ist ein Ergebnis des Lebens. Das Leben zu erklären. ist nicht Gegenstand der Physik. Die Physik bezieht sich auf eine Welt, die eine erklärliche Ordnung haben soll. Da die Natur durch das Leben bestimmt ist, kann eine Physik, die der Mensch erfunden hat, nicht zum Ursprung und den tieferen Zusammenhängen der Natur vordringen.

Die Festlegungen der Ordnung sind quantifiziert und willkürlich, sie sollen für die Beschreibung der Natur plausibel sein. Mit den Festlegungen der Ordnung wird ein Bild der Welt gezeichnet. Das Bild der Welt ist aber nicht die Welt, sondern ein willkürliches Konstrukt.[4] Eine brauchbare Begründung für die Auswahl der geometrischen Regeln lässt sich nur auf Umwegen finden. Für die kartesischen Koordinaten des Raumes ist die Intuition des René Descartes die einzige Begründung. Er nahm die einfachen Festlegungen Euklids für die ebene Geometrie, mit der die Koordinaten eines Gegenstandes auf der Fläche bestimmbar waren. Dieses Gedankenspiel hat er um die 3. Dimension ergänzt, die nun auch eine Ortsbestimmung in einem rechtwinklig festgelegten Raum ermöglichten. Für diese Weiterentwicklung der ebenen Geometrie hat Descartes anerkannt, dass es gerade Strecken gibt und dass sie genau senkrecht aufeinander stehen können.[5]

Aus der Natur kann das nicht abgelesen werden. Dort gibt es keine geraden Strecken und es gibt auch keine rechten Winkel. Ein Baum steht irgendwie in der Landschaft, dort wo das Samenkorn einen Nährboden gefunden hat. Er wächst zwar in die Höhe, aber nur zufälligerweise in einem annähernd rechten Winkel. Jeder andere Winkel wird sein Wachstum und sein Leben nicht beeinträchtigen. Descartes hatte nicht im Sinn den Dingen im Raum eine Ordnung zu verleihen, die sich an der Natur messen kann oder damit vergleichbar ist. Liest man seine Meditationen, so ist füglich zu bezweifeln, dass er ein Bild der Welt konstruieren wollte. Er hat den Wissenschaften die nur von den allereinfachsten Dingen handeln, wie Arithmetik und Geometrie, abgesprochen, dass sie eine Bedeutung für die Wirklichkeit haben. Sie haben laut Descartes zwar eine zweifellose Gewissheit, aber sie kümmern sich wenig darum, ob diese allgemeinsten Gegenstände ‚in der Wirklichkeit vorhanden sind oder nicht‘.[6]

Eine Abbildung der Wirklichkeit war mit seinen Gedankenexperimenten nicht intendiert und tatsächlich werden die Natur und das Leben in der Physik auch nicht abgebildet. Mit diesem Ziel hätten die Theorien und Berechnungsverfahren besser und sorgfältiger entwickelt werden müssen. Trotzdem sind sie zu den Grundlagen der Technik in der physikalischen Zivilisation geworden. Diese Grundlagen hat die Wissenschaft in der Folgezeit nicht in Zweifel gezogen, sondern darauf ein Gedankengebilde errichtet, das tatsächlich die Welt erklären und prognostizieren sollte.

 

Die Welt als Wille und Vorstellung [7]

 

Alle weiteren auf diesem Bild aufbauenden Festlegungen folgen der zweiwertigen Logik. Mit der zweiwertigen Logik bekommen alle Erkenntnisse und Aussagen dazu nur zweiwertige Ergebnisse: richtig oder falsch. Wobei diese beiden komplementären Klassifizierungen nur in einer festgelegten Wirklichkeit sinnvoll zu gebrauchen sind. Etwas kann nur richtig oder falsch sein im Vergleich zu einem statischen Bild, einer Ethik, einem Prinzip oder allgemein einem Hintergrund. Dieser Hintergrund ist nur für den menschlichen Verstand erkennbar und lässt in Abhängigkeit von den Möglichkeiten der Wahrnehmung noch viele Deutungen zu. Letztlich wird er vereinbart und verteidigt.[8]

Die Ethik einer Kultur bestimmt über den Hintergrund, über das Bild der Welt. So werden Ereignisse oder Ergebnisse des Handelnden in einem kulturellen Umfeld als gut und richtig gewertet und in einer anderen Gesellschaft als schlecht. Mit dazwischen liegenden Bewertungen wie ‚ganz gut‘ oder ‚nicht ganz falsch‘ lässt sich nur schwierig eine Kommunikation aufrecht halten. Aussagen mit einer Zuordnung von Wahrscheinlichkeiten würden in einem Chaos des gesellschaftlichen Systems zerfließen. „Eventuell komme ich morgen zur Behandlung“, oder „Möglicherweise zahle ich meinen Kredit zurück“, oder „Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit für das Eintreffen eines Reisebusses?“ – sind keine brauchbaren Grundlagen für eine technisch ausgerichtete Kultur.

Dagegen postuliert die Quantenphysik die Wahrscheinlichkeit des Eintretens eines Ereignisses. Wenn es dann eintritt hinterlässt es messbare Ergebnisse in der quantifizierten Welt. Das Quantenteilchen ist dann konkret in der Welt. Die Prognose der Ereignisse und die Überprüfung der damit verbundenen Theorien entziehen sich der zweiwertigen Logik, aber nicht der Logik generell. Die Unsicherheit des Eintretens eines Ereignisses bedeutet nur, dass das Zusammentreffen von zwei Ereignissen mit den Mitteln der quantifizierten Welt nicht vorausgesagt werden kann: der Beginn eines Ereignisses und die Position eines Anzeigers auf einem Zeitmesser. Diese Unsicherheit ist für ein konstruiertes System mit einer definierten Funktion kein tragfähiges Fundament.

Eine Maschine, eine Technik braucht eine klare Zuordnung und eine Reihenfolge. Das muss messbar sein und kalkulierbar. Diese Anforderung lässt sich nur erfüllen, wenn die Grenzen des Systems so eng gezogen werden, dass die Vielfalt der Möglichkeiten ausgeschlossen wird. Die Natur wird eingegrenzt auf ein ganz enges Spektrum von wenigen Ereignissen, der Rest wird aus der Betrachtung verbannt. Störfaktoren oder Nebenwirkungen, Übernatürliches oder Unsinniges, Unwichtiges oder Krankhaftes, Zufälle oder Stochastik, Wirkungsloses oder Fehlerhaftes, alle diese Klassifizierungen weisen darauf hin, dass etwas beobachtet wird, was nicht in das vereinbarte Schema passt und deshalb aus dem System ausgeschlossen werden kann. Es muss sogar ausgeschlossen werden, sonst funktioniert das System nicht.

Der Begriff des „Lebens“ erhält in seinem Bezug auf das Materielle eine absurde Bedeutung. Maschinen haben in unserer Gesellschaft eine Lebensdauer. Die Physiker sprechen von einer Lebensdauer der Materie. Zum Beispiel wird die ‚Lebensdauer’ eines Protons mit rd. 15 Minuten gemessen, hingegen sei die ‚Lebensdauer’ eines Photons unendlich, weil es keine Masse habe. Hier vermischen sich die Wortbedeutungen und machen eine Verständigung über die natürlichen Prozesse unmöglich. Der Begriff des „Lebens“ ist gestorben, umgekommen in einer Übernutzung, dahingesiecht in der konstruierten Welt. Das Leben von Materie ist seelenlos, das ist kein Leben.

Wir kommen in dem Diskurs über das Leben nicht an Schrödingers Buch ‚Was ist Leben’ vorbei, der den Versuch unternimmt, das Leben aus der Welt der Physik zu erfassen und zu definieren.[9] Und wir kommen deshalb nicht daran vorbei, weil unser Bild der Welt auf der Physik gegründet ist. Schrödinger wendet in genialen Entwürfen das Prinzip der Entropie auf das Leben an.[10] Am Ende versucht er dem mechanischen Bild des Organismus das wahre Leben einzuhauchen. Jedoch kommt er hierbei nicht ohne Gott aus – den er nicht erklärt. Als Physiker fällt er in den Vergleich eines Uhrwerks mit einem Organismus zurück und beschreibt diesen als: „Die kennzeichnendsten Wesensmerkmale sind: Erstens die merkwürdige Verteilung der „Zahnräder“ in einem vielzelligen Organismus, ... , und zweitens die Tatsache, dass das einzelne Zahnrad nicht ein plumpes Menschenwerk ist, sondern das feinste Meisterstück, das jemals nach den Leitprinzipen von Gottes Quantenmechanik vollendet wurde.“[11]

An diesem Ende der gedanklichen Bearbeitung des Lebensprinzips geht es nicht weiter. Das Leben lässt sich nicht in die technische Welt einordnen. Nun hat die technische Kultur eine Welt definiert, die wie eine Maschine funktionieren soll. Auf die Natur wurden geometrische Formen gesetzt und mathematische Dimensionen montiert. Der Mensch wird auf den Verstand und die Logik reduziert und der Körper auf die Funktionsfähigkeit einer Maschine getrimmt. Der Natur wird das gewesene Leben als Bodenschätze oder Energie entnommen und diese Materie wird zu neuer, toter Materie zusammengesetzt. Die Ethik unserer westlichen Kultur zeigt sich darin, wie wir mit dieser von uns maschinell interpretierten Natur umgehen. In der Tierhaltung gibt es keinen Übergang von Leben zu Fleisch, vielmehr ist das Tier bewegliches Fleisch mit der Funktion, den menschlichen Hunger zu stillen. Die Pflanzen haben keine Verbindung zur Mutter Erde, sie brauchen zum Wachsen nur Nährstoffe, die chemisch aus anderem ehemaligen Leben gewonnen werden. Die Arbeit ist in der gewinnorientierten Ökonomie eine der Funktionen des Menschen und sie wird für Andere erledigt. Die Arbeit wird vergütet, nicht der Mensch. Die Arbeit ist vom Menschen getrennt, der Mensch ist von der Natur getrennt, die Funktion ist vom Inhalt getrennt.

 

Trennung schafft Subjekte und Objekte.

 

Diese quantifizierte Welt ist endlich. Sie kommt und sie geht. In ihr kann ein Spiel gewonnen und verloren werden. Sie ist nicht verlustfrei teilbar. Die Materie kann nur geteilt werden, aber nicht vermehrt. Wir geben diesem Konstrukt einen neuen Namen, damit es von dem Prinzip des Lebens zu unterscheiden ist. Es ist das Ramsdera. Ramsdera ist der strukturierte Teil mit Funktion und Grenzen, der uns einen gewissen Halt gibt. Hier gibt es Worte, Regeln, Verständigung und Verstand. Er soll funktionieren und er soll berechenbar sein.

Das Leben

Das Teilen hat in dem kulturell bestimmten Verständnis der endlichen Welt die Bedeutung von Aufteilen. Wenn endliche Materie geteilt wird, dann hat jeder Empfänger weniger als das Ganze.[12] Das ist die materielle Seite des Lebens, der körperliche und mit den Sinnen erfassbare Teil. Die Vermehrung durch Teilung ist eine gute Möglichkeit das Lebensprinzip zu erklären. Eine Vermehrung mit der aufteilbaren, materiellen Seite des Lebens erscheint zunächst unmöglich. Unser Verstand versteht Teilung als Aufteilung, aber das ist eine kulturelle Setzung, die nur für die Ramsdera gilt. Die Zellteilung schafft mehr aus wenig, hier bekommt der Begriff der Teilung eine natürliche Bedeutung.

 

Das Leben ist teilbar und vermehrt sich.

 

Die unendlichen Aspekte des Lebens sind mit Vermehrung teilbar. Wenn ich Gefühle mit anderen Wesen teile, dann hat jeder mehr davon. Das Leben durchdringt mit der Seele oder den Gefühlen die Körper und die Gefühle zu teilen hat die Bedeutung von Weitergeben. In der Synergie gibt man die Unendlichkeit weiter. Und da es nicht zweimal unendlich gibt oder ein halbes Unendlich, hat jeder Empfänger mehr als vorher und der Geber behält das seine. Das Paradies in jedem von uns ist der unendliche Teil. Das Leben hat die Natur hervorgebracht, die ganze Natur, die untrennbare Natur, die grenzenlose Natur.

 

Die Natur hat keine Grenzen und keine Funktion. Die Möglichkeiten sind grenzenlos, die Gefühle sind unendlich. Eine Eiche wirft im Herbst Unmengen von Eicheln ab und schafft damit ungezählte Möglichkeiten für eine Fortsetzung des Lebens. Ein Lachs laicht eine sehr große Menge von Eiern und kümmert sich nicht weiter um die Fortpflanzung. Das Lebensrisiko erscheint für ein einzelnes Ei sehr groß, weil eine eindeutige Prognose zu seinem Fortbestand nicht möglich ist. Für die Spezies der Lachse kommt es darauf aber gar nicht an. Die Natur wird nicht einem bestimmten Lachs das Leben schenken, sondern sie hält das Spiel in Gang. Es geht nicht um das Leben, sondern um das Prinzip des Lebens.

Das einzelne materielle Leben hat eine Bedeutung für den Mantel der Erde. Es wandelt die Energie der Sonne und des Wassers in Materie um. Diese endliche Materie und das unendliche Prinzip des Lebens schaffen in der Synergie das neue materielle Leben. Das gewesene Leben wird also gebraucht, damit sich ein neues, lebendes Leben bilden und entwickeln kann. Aus der Natur lässt sich keine Strategie für ein einzelnes Leben erkennen. Die Verbindung zwischen dem Lebensprinzip und der endlichen Materie im weitesten Sinne, die wir bereits Ramsdera genannt haben; diese Verbindung bleibt bestehen, solange ein Organismus ‚lebt’. Er ist geradezu daran zu erkennen. Solange das Unendliche an ihm klebt, bezeichnen wir ihn als lebendig.

Das Unendliche ist teilbar und vermehrt sich. Es sind die Gefühle, es ist die Seele, es ist das Spirituelle, die Kraft des Lebens, der Geist. Je nach persönlicher Kondition ist es auch der Glaube, das Vertrauen, die Schönheit, das Verlangen oder die Sehnsucht. Selbst die Physik kennt eine unendliche ‚Lebensdauer’ des Photons, weil es keine Masse hat und es bewegt sich endlich, nämlich mit der Lichtgeschwindigkeit.

 

Das Licht ist sowohl unendlich als auch endlich.

 

Und nur die Synergie von beidem macht es zu Licht. Die Physiker sind in ihren modellhaften Überlegungen wieder auf das Prinzip der Natur zurückgekommen – Unendliches in Synergie mit Endlichem. Und das Unendliche hat keine Masse oder Materie oder Gewicht oder was man dem Ramsdera alles zuschreiben möchte.

Nehmen wir von der Synergie des Lebens das Ramsdera weg, dann verbleibt etwas Unbenanntes, das geteilt und vermehrt wird. Es verbleibt das Mengalo. Im Mengalo sind die Gefühle, ist die Anbindung an die Natur, an das Soolago, ist die spirituelle Verbindung mit allem, sind die Möglichkeiten und Potenziale.

Das Leben gewinnt seine Geborgenheit aus dem Vertrauen in die Spirits oder die Natur oder die neuen Möglichkeiten, die sich auftun, wenn wir die alten als erschöpft erkennen. Es schöpft sein Vertrauen in die zukünftigen Entwicklungen aus den Potenzialen, die Mutter Natur bereithält. Sie gibt uns nicht die Sicherheit, dass eintritt, was wir wollen, aber die Geborgenheit, dass wir in Zukunft erhalten, was wir brauchen. In der Welt des Menschen werden Erwartungen erdacht. Auf dieser Basis gibt es Pläne und die Pläne werden in Aktionen umgesetzt. Enttäuschte Pläne führen zu Vertrauensverlust. Das Vertrauen in die Realisierung unserer selbst erdachten Erwartungen geht verloren. Aus dieser aussichtslosen Lage gibt es keinen Weg durch das Ramsdera in das Leben.

In einer Welt ohne Vertrauen und Geborgenheit versucht der Mensch das unberechenbare Chaos aus den Rahmenbedingungen der Zukunft auszuschließen. Der Mensch in der Verstandeskultur will kalkulieren und wissen was geschieht, damit er seine Aktionen darauf ausrichten und die Überraschungen aus seinem Leben raushalten kann. Der Verstand will die Strukturen in vorhersehbaren Rahmenbedingungen erhalten, denn nur in einem festen Rahmen ist das Ergebnis geplanter Aktionen zu sichern.

Pläne

Ergebnisse geplanten Vorgehens treffen nie so ein, wie der Verstand es erwartet. Das liegt an den Erwartungen, die im Sinne des Wortes ‚unrealistisch‘ sind. Die Rahmenbedingungen werden in den Plänen entweder als konstant unterstellt oder sie sind selbst Gegenstand von Prognosen.

Die Rahmenbedingungen sind aus mindestens zwei Gründen nicht konstant. Zum einen ist die Natur ein offenes System und daraus resultieren Einflüsse, die die Rahmenbedingungen verändern. Die Natur entspringt dem Leben und lässt sich nicht ausschließen. Die Welt mit Plänen ist in der Natur, in der nichts konstant ist.

Zum anderen nimmt der Akteur mit seinen Aktionen auf die Rahmenbedingungen Einfluss und öffnet das System für neue Einflüsse.

Sind die Rahmenbedingungen selbst das Ergebnis von Prognosen, dann gelten für die Prognosen wieder Rahmenbedingungen, ad infinitum. Es entsteht ein unendlicher Regress.

Wenn wir auf die vermeintliche Sicherheit im Ramsdera verzichten müssen, dann wenden wir uns dem Mengalo zu und vertrauen auf das unerklärliche und nicht verstandene Chaos. Außerhalb der kulturell definierten Strukturen steht die Natur mit ihren Lösungen für jede Aufgabe. Wir brauchen Geduld und Vertrauen und Aufmerksamkeit für die Möglichkeiten, die uns gezeigt werden. In dem vermeintlichen Chaos finden wir kreative Lösungen und neue Potenziale.[13]

Das Leben hat Lösungen für jede Aufgabe.

 

Was unterscheidet den Menschen von den anderen Wesen, die nach wie vor in der Geborgenheit des Mengalo leben und ihr Leben in den Händen der Natur lassen? Tiere und Pflanzen in der Obhut der Natur sind mit Sinnen ausgestattet, die ihnen die Möglichkeiten für ihr Leben zeigen. Das reicht offensichtlich aus. Die Verstandeskultur konstruiert ein Bild der Welt, in dem der Mensch von der Natur getrennt ist. Haben in diesem Sinne die Naturvölker ein anderes Bild der Welt oder brauchen sie keines? Die Verständigung zum Bild der Welt und die Abstimmung unterschiedlicher Bilder ist ein erheblicher Aufwand. Auch bei intensiven und tiefgründigen Überlegungen ist kein Vorteil für die Natur erkennbar, der ein Dasein mit Weltbildern rechtfertigt.

Eine Verbindung über alle Grenzen der natürlichen Wesen auf der Erde ist auf der Basis der Gefühle (im Mengalo) möglich. Die Verbindung ist sogar nur ausschließlich über die Gefühle möglich, denn etwas Anderes haben die Wesen in der Natur nicht gemeinsam. Man könnte noch argumentieren, dass es gar keine Verbindungen gibt und die Aktionen beim Zusammentreffen unterschiedlicher Wesen allein von den Reflexen gesteuert werden. Das lässt sich bei genauerem Hinsehen kaum aufrechterhalten, denn die Tierarten leben zusammen und fühlen sich zueinander hingezogen. Sie bilden Familien, Stämme, Gruppen oder ganze Populationen wie die Ameisen, Bienen, Wälder und Schwärme.

Leben im Mengalo ist möglich in einer Synergie mit den Ramsdera. In dem Kapitel zum Leben haben wir das Prinzip des Lebens mit einem Strudel verglichen, der nur dann entsteht, wenn der Fluss sich an etwas Festes klammert. Im gleichen Sinne brauchen die unendlichen Mengalo die endlichen, festen Ramsdera, um sich daran zu realisieren. Leben ohne Mengalo ist unmöglich, wie ein Strudel ohne Fluss unmöglich ist. Das Leben braucht also Beides. Das Mengalo hat die Eigenschaft ‚unendlich‘ und das Ramsdera die Eigenschaft ‚endlich‘. Die Erde braucht das unendliche Leben und das endliche, gewesene Leben. Für die Fortpflanzung brauchen die Wesen ihre Gefühle und Geschlechtsteile. Zum Essen und Gedeihen brauchen die Wesen den Hunger und das ehemalige Leben. Der Sonnenuntergang beeindruckt mit dem unendlichen Licht und den endlichen Wolken. Eine Frucht lässt sich nur vollständig erleben mit den unendlichen Gefühlen, dem Geschmack, der Vorfreude, und dem endlichen Stück Fruchtfleisch.

Verständigung ohne Gefühle

Der Mensch hat die spezielle Fähigkeit, sich Welten auszudenken und sich im kleinen oder größeren Kreis darüber zu verständigen. Diese Fähigkeit grenzt ihn nicht nur von den anderen Wesen ab, sondern schafft auch Grenzen innerhalb der Spezies Mensch. Menschen unterschiedlicher Kulturen und Sprachen finden nur mit Mühe zueinander. Sie legen sich über den Verstand gewisse Brücken auf denen die Gemeinsamkeiten übersetzt werden und einige Grundlagen und Regeln verabredet werden.

Mathematik liefert uns eine Sprache, die über Symbole die Ramsdera in eine Form bringen will mit der wir ein Bild der quantifizierten Welt konstruieren können. An ihrem Startpunkt beginnt die Mathematik mit Axiomen, die eine Entsprechung eines Teils der Mengalo in Form bannen. Die Form kann zum Beispiel eine Annahme über den Raum sein und der Raum habe drei Dimensionen. Diese Annahme ist historisch zu erklären, weil Descartes mit drei Raumdimensionen arbeitet, um die Position einer Materie im Raum mathematisch mit den Koordinaten definieren zu können. Aus dem Raumgefühl lässt sich das nicht herleiten, nur aus der Erweiterung der zwei Dimensionen der Euklid'schen Geometrie um eine weitere messbare Dimension.

Die Mathematik setzt den Raum in drei messbaren Dimensionen zusammen und unterstellt, dass dieses Bild des Raumes "dem Raum" entspricht. Das mathematisch formulierte Abbild des Raumes soll "=" dem Raum sein. Das ist das Maß der Ordnung in dem der Mensch sich zurecht findet, weil er nach einer Orientierung oder Entsprechung der Ramsdera in den Mengalo sucht. Die Abkopplung von den Mengalo ist über die Mathematik möglich und wie die Philosophen der Verstandeskultur behaupten, auch logisch. Aus dieser Distanz beginnt aber die Suche nach einem Weltbild, das mit den Mengalo wieder in Einklang zu bringen ist. Die von den Sinnen vermittelte Welt soll nun in Übereinstimmung mit der konstruierten Welt gebracht werden. Auf dem Weg dahin sind viele scheinbar konsistente Weltbilder entstanden, die sich mit Hilfe der Naturwissenschaften und der Mathematik fortentwickeln.

Alle diese Bilder wachsen, werden komplexer und für Nicht-Wissenschaftler unverständlicher. Wissenschaften haben ihre Welt und kommunizieren das Bild davon mit Sprache, Schrift und Medien. Trotzdem bleibt es ein Bild, das von den jeweiligen Denkrichtungen oder Disziplinen bis zu den Grenzen der Welt fortgeführt wird. Keine Wissenschaft, sei es Physik, Biologie, Chemie, Sozialwissenschaften, Formalwissenschaften oder Geisteswissenschaften dringt bis zum Leben vor. An den Grenzen fehlen die Erklärungen. Am Rande der Erkenntnis fehlen die für Menschen verständlichen Zusammenhänge zwischen Ursachen und Wirkungen. Die Logik wird mehrwertig. Die Wissenschaft führt die Ereignisse nicht mehr eindeutig auf Ursachen zurück und gibt sichere Prognosen für ihr Eintreten ab. Die Ereignisse treten nur noch mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit ein oder sind gar von dem Beobachter abhängig.

Die Rückkopplung zum Beobachter löst die Trennung von Subjekt und Objekt in der Welt auf. Am Rande der Erkenntnis kippen die selbst eingegrenzten Randbedingungen um und jede Wissenschaft landet auf einem weiten Umweg wieder in dem natürlichen Chaos.[14]

Das Leben durchdringt die Welt.

Chaos hat eine für den menschlichen Verstand nicht erkennbare Ordnung. Man kann auch folgern, dass im Chaos nichts gleich ist. Ohne ein Gleichheitszeichen lässt sich kein quantifiziertes Weltbild mit Hilfe der Mathematik bauen. Es ist paradox, dass viele Wissenschaften versuchen, mit der Mathematik eine Welt zu beschreiben, allen voran die Physik. Ob wir nun dieses Paradoxon nehmen oder ein Weltbild der Quantenphysik, der Holobewegung, der energetischen Felder, oder der Monaden, bleibt doch eine fundamentale Frage unbeantwortet: "Ist die Natur so kompliziert aufgebaut, dass sie nur von wenigen hochbegabten Wissenschaftlern beschrieben werden kann?" Was tun die Anderen? Finden die sich nicht zurecht, sind sie womöglich gar nicht lebenstauglich?

Die Millionen Jahre alte Entwicklung der Menschen und aller anderen Wesen lehrt uns etwas Anderes. Die Natur hat einfache Prinzipien, die ohne komplizierte Weltbilder eine Entwicklung und das Leben zulassen. Sie ermöglichen uns und allen anderen Wesen, selbst ohne den Verstand, sich in ihrer Welt und ihrem Leben zurecht zu finden. Das grundlegende Prinzip wird nicht vom Verstand getrieben, sondern vom Vertrauen.

Das Vertrauen in die Natur und die Einbindung in den Zyklus des Lebens macht keine mathematische Beschreibung der Ramsdera notwendig. In dem Vertrauen, dass die Natur das Wesen in die Veränderungen der Rahmenbedingungen mit aufnimmt, ist die Trennung von einem sich autonom entwickelnden Subjekt und den Wirkungen aus der Umwelt sinnlos. 

Gleichheit

In dem Beitrag „Gleichheit in der Welt und im Leben“ zeige ich einige Konsequenzen auf, die eine Verwendung des =-Zeichen in der Mathematik nach sich ziehen. Im Leben ist 1=1 ungleich 1=1. Diese Erkenntnis setzt der Mathematik enge Grenzen.

Mathematik ist letztlich nur eine Umstellung von Symbolen und ist ungeeignet, das Leben abzubilden oder gar zu prognostizieren. Und dort, wo die Mathematik logisch und konsistent ist, hat sie mit dem

Leben nichts zu tun.

Der Sinn will sich nicht einstellen, weil die Trennung von den integriertem Mengalo anschließend die Reintegration notwendig macht. Der Mensch und der hochbegabte Wissenschaftler mühen sich ab, über den Verstand die Reintegration zu versuchen und doch ist dieses Verfahren recht umständlich und unzuverlässig und nach allen Beobachtungen der Ergebnisse unmöglich.

 

Wie in dem Text zum Auszug aus dem Paradies ausführlicher besprochen, ist der Versuch untauglich, mit den endlichen Ramsdera im Gepäck erneut in das unendliche Paradies einzuziehen. Der verstandesgetriebene Wille sucht den Eingang über mathematisch beschriebene Wege.

Eine Integration des eigenen Ego in die Umwelt ist nur unter den restriktiven Annahmen eines durch Verstand endlich begrenzten Akteurs in ein endliches Spiel möglich. Der Verstand kann nur ein endliches Spiel und seine Regeln mit der Mathematik beschreiben. In dem endlichen Spiel gibt es eine Aussicht auf eine sichere Rahmenbedingung, in der ein begrenzter Verstand sich mit etwas Mühe aufhalten und die

Die Aufstellung einer Welt

Die von den Wissenschaftlern gefundenen ‚Naturgesetze‘ brauchen feste, unveränderliche Randbedingungen, die nicht in der Natur gefunden werden, sondern als Voraussetzungen definiert werden. Das sind naturferne isolierte Laborumgebungen, die eben alle natürlichen Einflüsse von der künstlichen Welt fernhalten – und vor allem den Menschen aus der Versuchsanordnung verbannen.[15] Mit diesen isolierten Erkenntnissen konstruiert die Wissenschaft ein Weltbild, das möglichst konsistent sein soll. Von der Wissenschaft werden unaufhörlich Restgrößen beobachtet, die nicht in die Anordnung passen. Das ist geradezu das Charakteristikum der verstandesgetriebenen, funktionsorientierten Forschung. Wir haben uns so an diese Argumentation gewöhnt, dass es schon nicht mehr verwunderlich ist. Wir sprechen zum Beispiel von Übernatürlichem, wenn wir Beobachtungen machen, die nicht in die Welt passen. Die Wissenschaft heißt explizit „Naturwissenschaft“ und sie schließt das sogenannte „Übernatürliche“ aus. Das ist paradox. Die Natur ist ein Ergebnis des Lebens. Die unerklärlichen Phänomene werden herausdefiniert, damit wir im Verlaufe der Jahre und Jahrzehnte zu einer berechenbaren Welt kommen.

Das Übernatürliche ist ein Ergebnis des Lebens.

 

Wenn sie berechnet worden ist, dann sind so viele Bedingungen, Ereignisse, Beobachtungen und Wirkungen ausgeschlossen, dass sie keine Verbindung mehr zum Leben hat. Sie ist in sich konsistent und richtig.[16] Sie wird mit der Sprache der Mathematik beschrieben, die ein logisches Kunstwerk ist, aber nichts von dem abbildet, was wir ‚Leben‘ nennen. Die Physik wendet Mathematik an. Jede Beziehung der Mathematik gilt für tote Materie. Das Leben bleibt unberechenbar.

Das ist das Dilemma der westlichen Kultur, entweder sie ist unzutreffend oder unberechenbar.

Die westliche Kultur hat sich auf die Seite des berechneten Weltbildes geschlagen und findet von dort keinen Weg zurück ins Leben. Immerhin lässt sich in der Laborwelt die Wirkung von Aktionen berechnen, wenn sich an den Rahmenbedingungen nichts ändert. Das Leben wird ins endliche Spiel gezwungen. Der Mensch in der Verstandeskultur macht sich einen Plan und bedenkt, was er demnächst tun will und welche Konsequenzen das haben kann. Der Plan und die zutreffende Abschätzung der Entwicklung gibt ihm Sicherheit aus dem Verstand, nicht aus dem Vertrauen in die Natur.

In der schamanischen Betrachtung haben wir eine andere Beschreibung einer Welt mit Verbindung zum Leben, die es bestmöglich mit seinen Gefühlen, seiner Synergie und der Ganzheitlichkeit unter Einbezug des Menschen als Wesen in diesem unendlichen Spiel[17] erfasst. Die Beschreibung bemüht sich, Gefühle zu übermitteln und transportiert sie über Musik, Gemälde, Gerüche, Farben, Berührungen oder Gedanken. Sie vollführt den Tanz des Lebens und lässt alle Wesen daran teilhaben. Diese Welt ist nicht berechenbar.

 

Das unendliche Spiel des Lebens hat keine festen Regeln, sondern lediglich Wahrscheinlichkeiten des Eintretens von Regeln und Konsequenzen, das heißt Ereignissen.[18]

Die planbare Wirkung kann nur in einem endlichen Spiel erwartet werden. Alle Randbedingungen und Regeln sind bekannt. Die Regeln kommen aus dem unendlichen Spiel und werden als konstant und berechenbar vorausgesetzt. Das unendliche Spiel spielt die Natur oder Gott oder das Soolago. Erst die Endlichkeit eines Verstandesspiels macht die Unendlichkeit erkennbar und wirklich. Der reine unendliche Spieler ohne Verstandeseinsatz wird kein endliches Spiel erfinden oder empfinden. Die Natur, Gott oder Soolago wird keinen Verstand erfinden, der sich von ihr entfernen kann. Der Kreative wird kein endliches Spiel erfinden, in dem er sich eingrenzen kann oder in dem andere nach endlichen Regeln spielen. Der Konventionelle braucht aber einen kreativen Ausweg, der ihm Hoffnung auf ein neues Spiel mit alten oder neuen Regeln macht.[19]

Der Kreative spielt in dem Vertrauen auf die Anpassung an neue Randbedingungen. Diese sind immer unberechenbar. Nur dann kann er kreativ spielen. Die Natur ist pure Kreativität, sie hat keinen Plan und kein Ziel. Unter ähnlichen Randbedingungen bringt die Natur ein ähnliches Ergebnis hervor. Die Kreativität aus der Unendlichkeit ist die Basis, das Paradies, und das Paradies hat keinen Plan.

 

Das Paradies hat keinen Plan.

 

Der Konventionelle in einem endlichen Spiel kann nicht spielen, wenn er unberechenbare Änderungen der Regeln erwartet.

Dez Verstandesspieler hat sich von der Natur entfernt, deshalb vertraut er nicht. Er sucht nach berechenbaren Randbedingungen, die sein geschwundenes Vertrauen auffangen. Die Sicherheit soll aus der Stabilität der Struktur kommen. Die Struktur ist die Umwelt.

Immanuel Kant hat sich erst von der Natur gelöst und dann eine Struktur erfunden, die ihn von der Natur vollständig lösen konnte. Er war die Speerspitze der Philosophie der Neuzeit, die den Menschen vollends aus der Heimat der Natur vertrieben hat. Seitdem irrlichtern die Naturwissenschaften durch die Welt auf der Suche nach dem Sinn des Lebens.

In den Beschreibungen der Umwelt lösen sich die Paradigmen ab.[20] Und mit dem Auftauchen der Quantenphysik lösen sie sich auf. Dahinter suchen die Mystiker und Wissenschaftler nach neuen Bildern.

Pribram hat auf den Forschungen von Karl Lashley aufgebaut, der mehr als 30 Jahre nach dem Ort des Gedächtnisses und den Funktionen im Gehirn geforscht hat. Pribram hat den Rechenverfahren im Gehirn nachgespürt. Seine Erkenntnis blieb stecken: Diese mathematischen Vorgänge haben zu der realen Welt, wie wir sie wahrnehmen, keine von unserer gewöhnlichen Vorstellungskraft nachvollziehbare Beziehung.[21]

Schamanische Sicht auf Philosophie der Neuzeit

Die Entwicklung der neuzeitlichen Varianten der Weltbilder habe ich in diesem Beitrag dargelegt. Unzählige Veröffentlichungen haben das bereits ausgearbeitet. Es braucht keine weitere Wiederholung. Ich habe einen ganzheitlichen, schamanischen Betrachtungswinkel eingenommen.

Ich lasse die anthropozentrische Sichtweise des Empirismus, Rationalismus und weiterer Strömungen hinter mir und betrachte die Welt aus der Sicht des Lebens. Das bezeichne ich als „vitazentriert“.
Ich brauche den Rückblick, um nach vorne zu schauen. Dort verbindet der Kreis des Lebens sich wieder mit dem Ursprung in der Vergangenheit.

Bohm beschreibt ein Universum, in dem die Ordnung eingefaltet ist. Zeit und Raum werden transzendiert. Er verlässt alle Konventionen der Reihenfolge (und damit der Zeit) und des Ortes, an dem Ereignisse stattfinden. Die implizite Ordnung entfaltet sich ständig und faltet sich wieder zusammen.[21]

Unsere wahrnehmbare Welt ist Illusion.

Die Idee der winzigen Dimensionen, die in unsere drei Makrodimensionen eingefaltet sind, findet sich im Ansatz der Great Unified Theory (GUT) wieder. Diese Konzepte sind aus einer ganzheitlichen schamanischen Betrachtung untaugliche Versuche, das Unendliche oder das Leben in die endlichen quantifizierten Dimensionen eines technisch materialistischen Weltbildes zu zwängen. Es erscheint wie ein Trick, der die Abhängigkeiten umkehren will. Gefühle sollen in Ramsdera sein und damit ein Ergebnis materieller, physikalischer Ereignisse. Beim Zusammenschlagen von zwei Ziegelsteinen soll Liebe entstehen.

An den Grenzen der Welt

Die Annahme alle unsere verdrängten ‚unberechenbaren‘ Phänomene und Wirkungszusammenhänge seien nicht da, nur weil wir sie ausgesperrt haben, zeugt von einer überheblichen Anmaßung des Menschen. Er soll es sein, der die Natur ‚verstanden‘ hat und sie an den Fäden wie eine Marionette herumführt? Er kann eingreifen und Naturschutz betreiben oder Technikfolgenabschätzungen berechnen? Er kann das Leben planen? Wie konnte die Natur in den Milliarden Jahren vorher wohl ohne den Menschen existieren oder sich sogar weiterentwickeln?

Übersinnliche oder übernatürliche[23]Vorgänge wie das Hellsehen, schamanische Reisen, meditatives Heilen oder Telepathie bewirken etwas, aber die Messmethoden spüren keinen Energietransfer auf, obwohl die modernen Messmethoden vermutlich dazu in der Lage wären. Wenn alles mit allem verbunden ist, gibt es keine Entfernungen und keine Unterschiede zwischen den Orten. Die Verbindung zu der Seele braucht keine Energie, sondern lediglich die Intention. Die Annahmen, dass die Seelen getrennt sind, ist schon schwer aufrechtzuhalten. Seelen sind unendlich wie die Gefühle. Sie sind unabhängig von Raum und Zeit. In einem endlichen Körper, der eine Position im Raum hat und eine Existenz in der Zeit, sind sie nicht unterzubringen. Jede Erklärung wird erheblich leichter, wenn wir nur von einer Seele ausgehen, die Repräsentationen im Bewusstsein hat.[24] Die Verstandeskultur hat große Hindernisse auf den Wegen zur Seele aufgetürmt.

Der Verstand und das Ego müssen aus dem Weg gehen, damit die Verbindungen ungestört sind. Verstand ausräumen, Ego beseitigen und achtsam sein ist die Essenz der schamanischen Arbeit. Alles was wir brauchen ist schon da und war immer da. Du brauchst es nur zu erkennen und anzunehmen.

Die Erklärungsversuche an den Grenzen der Welt sind ungezählt. Die Suchen nach den Antworten auf die offenen Warum-Fragen führen über die Theorien und Gesetze der Physik und der Naturwissenschaften hinaus.

Keith Floyd kehrt in seinem Bild der Endlichkeit - Unendlichkeit die Wirkungen um. Das Gehirn nimmt nicht Einfluss auf das Bewusstsein, das Bewusstsein präsentiert dem Gehirn die Bilder von Materie, Raum, Zeit und der Physik des Universums.[25]

Henri Bergson sieht die Letzte Wirklichkeit in einem Gewebe von Zusammenhängen.

Leibniz hatte ein Bild von Monaden, die jeweils alle Informationen des Universums tragen, ein holographisches Universum.

Whitehead beschreibt die Natur als einen Nexus von Ereignissen außerhalb der Wahrnehmung. Geist und Materie greifen ineinander.

Rumi sagt: "Der Mensch nimmt Ursachen zweiter Ordnung wahr, der Prophet nimmt das Wirken der ersten Ursache wahr." Das ist eine Unterteilung der Menschen in die Erleuchteten und die Anderen, so wie ein Wissenschaftler die Wissenden von den Dummen trennt. Das erscheint mir bedenklich. Es gibt menschliche Talente, die sich näher an der Natur orientieren, als andere Mitmenschen. Sie haben leichteren Zugang zu den Grundlagen des Lebens und ihrer Wirkungen. Das kann sich in alltäglichen Situationen offenbaren. Dazu braucht es keiner prophetischen Gaben, sondern ein Vertrauen in die Gefühle, die wir mit allen Wesen teilen.

Jeder Mensch hat seine Wirklichkeit, der er zum Teil strukturierte Ordnungen mit eindeutigen Ursachen zuweist. Zum anderen hat jeder einen kreativen Teil der natürlichen Ordnung, der ohne Regeln und formalisierbare Kausalitäten einen lebenswichtigen Bereich seines Daseins abdeckt. Jeder hat das Potenzial zum Humus der Erde beizutragen. Jeder hat die Möglichkeit, das Soolago an sein Leben anzuschließen, wenn er nicht den Umweg über den Verstand und die symbolische Beschreibung der Welt (mit Mathematik oder Worten) versucht.

Ich beende diese Zusammenstellung mit Albert Einsteins Sicht, seinem Weltbild. Er sucht die Wahrheit der Wissenschaft allein mit der Vernunft, die einen pantheistischen Gottesbegriff im Hintergrund hat. Im Pantheismus wird Gott mit Natur gleichgesetzt. „Jene mit tiefem Gefühl verbundene Überzeugung von einer überlegenen Vernunft, die sich in der erfahrbaren Welt offenbart, bildet meinen Gottesbergriff; man kann ihn also in der üblichen Ausdrucksweise als ‚pantheistisch‘ (Spinoza) bezeichnen. [26] Die Natur ist gleich Gott und somit der Restposten, den die Naturwissenschaft noch nicht erklären kann. Die Welt ist intelligibel und der Mensch kann sie erkennen. Das nicht Erklärbare ist Gott.

Der Schamane blickt aus einer anderen Richtung auf das gleiche Phänomen. Das Leben ist der Urgrund für alle Wesen, von denen der Mensch eines ist. Ob Menschen in unterschiedlichen Gemeinschaften oder Kulturen sich etwas ausdenken, das Ursachen und Wirkungen zusammenbringt, ist für das Leben ohne Bedeutung. Das Weltbild der Juden, der Inkas, der Ägypter, der Chinesen oder der Verstandeskulturen spielt für die weitere Entwicklung des Lebens auf Erden keine Rolle. Die Vorstellung findet auch ohne Zuschauer statt. Auf dem Leben schwimmt die Welt der Menschen und sie kann ohne viel Aufhebens untergehen. Eine neue Welt wird ihren Platz einnehmen. Welten kommen und gehen, das Leben ist. In der schamanischen Tradition wird das Leben in die Welt eingeladen. Es reicht bereits aus, wenn die Sperren des Ego, der Kultur oder der Gesellschaft aufgehoben werden.

 

Wir können die Welt nicht vor dem Leben verstecken.

 

In den Gesellschaften und Kulturen wird vermittelt, dass bestimmte Eigenschaften, Ziele und Taten erfolgreichen Lebenswegen führen. In der Welt sind die Wege vorgezeichnet und die Erfolge messbar. Das Glück erhält eine Wertung und der Erfolg kann in einem Ranking gemessen werden. Die Zufriedenheit soll zunehmen, wenn die Vorgaben der gesellschaftlichen Ethik eingehalten werden. Wer die Regeln des endlichen Spiels im Rahmen der Welt beachtet, der wird glücklich und belohnt. So lernen es die Menschen in der Verstandeskultur.

Das ist aber ein kultureller Wertmaßstab, der sich in der Natur nicht wiederfindet. Das Glück und die Zufriedenheit sind von dem kulturellen Hintergrund unabhängig, sie sind nicht quantifizierbar und entziehen sich jeder Wertung und Planung.

 

Aus der Sicht des Lebens, der unberechenbaren ersten Instanz unseres Daseins, lässt sich nicht beobachten, dass die Natur einen Erleuchteten, einen Wissenschaftler, einen religiösen Führer oder einen erfolgreichen Politiker besser durch das Leben führt als einen dummen Jungen, einen einfachen Künstler, einen Einsiedler oder einen Weltenbummler. Die Zufriedenheit und das Glück, die Liebe und das Wohlbefinden, lassen sich auf viele persönliche Ereignisse und Erkenntnisse zurückführen. Aber sie lassen sich nicht aus dem intellektuellen, spirituellen oder materiellen Status herleiten, den der Mensch in Relation zu anderen Menschen erreicht.

Noch weniger lassen sie sich aus dem intellektuellen Status herleiten, der den Menschen angeblich über die anderen Wesen erhebt. Der Aufbau eines verstandesgetriebenen Weltbildes hat der Natur keinen erkennbaren Vorteil gebracht. Andernfalls müssten wir schließen, dass die Entwicklung in eine technische Kultur ein Segen für die Natur und die Erde wäre und als eine ‚natürliche Weiterentwicklung‘ in die Evolutionsgeschichte eingehen würde. Das ist nicht erkennbar. Das Leben auf der Erde hat sich über Jahrmilliarden ohne einen ordnenden Verstand entwickelt und eine lebensfähige und lebensspendende Natur aufgebaut. Ein verstandesgetriebenes Wesen war dazu nicht notwendig und es steht sogar zu erwarten, dass es der weiteren Entwicklung des Lebens auf der Erde hinderlich ist. Es mag eine Kausalität erster oder zweiter Ordnung zu beobachten sein, aber es ist nicht zu erkennen, dass sie sich auf die Grenzen der formalen, materiellen Welt der Physik beschränkt. Wie würde die technische Kultur die Erkenntnis in ihr Weltbild einbauen, dass die Ursachen materieller, messbarer Ramsdera einer dunklen Energie entstammen, die keine Wechselwirkungen mit der Welt hat?

Das Leben braucht keine Macht.

 

Michael Hampe hat das sehr pointiert zusammengefasst: „Daß Menschen unserer Kultur die Welt vor allem als gesetzmäßige Natur verstehen und sich selbst als autonome Wesen, die dieser Natur einerseits erkennend gegenüberstehen und sie repräsentieren, andererseits in sie eingreifen, also technische Macht durch Erkenntnis der Gesetzmäßigkeiten erwerben – all das dürften sehr kulturspezifische Grundüberlegungen sein, die um ein spezifisches Verständnis von Gesetzmäßigkeiten herum organisiert sind.“.[27] Wenn aber die Entwicklung des Wissens über die Regelmäßigkeiten in der Natur eine kulturelle Setzung ist, so gibt oder gab es auch Kulturen, in deren Bild der Welt keine Regelmäßigkeiten gesucht werden.

Sie sind von dem Vertrauen in die Kräfte der Natur geprägt, die zum Wohlergehen aller Wesen eingesetzt werden, in deren Mitte der Mensch lebt. In den anderen Kulturen ist der Mensch nicht von der Natur getrennt und versucht ihre „Geheimnisse“ zu erkennen, sondern nimmt mit seinen Aktionen an dem Geschehen teil, in das er selbst integriert ist. Sein Ziel ist es nicht, die Regelmäßigkeiten zu finden mit denen er die Natur kontrollieren kann, sondern die Möglichkeiten zu nutzen, die die Natur zu jedem Augenblick anbietet.

Das Leben und die Welt

Aus dem Soolago kommen alle Möglichkeiten. Es ist unmöglich, darin eine Ordnung zu suchen, weil in den unendlichen Möglichkeiten keine Ordnung zu finden sein kann, die ein endliches Wesen erkennen, wahrnehmen und sortieren könnte. Die Verbindung von Endlich und Unendlich ergibt Endlich, das würde die wunderbare chaotische Kreativität in den Möglichkeiten aufheben. Mengalo sind unendlich und als Möglichkeiten aus dem Soolago für die Wesen erreichbar.

Aber auch sie haben nichts, was wir als Ordnung oder Struktur erkennen können. Jede Projektion von Ordnung oder Struktur auf das Mengalo ist eine menschliche Setzung, genauer eine kulturelle Setzung. Der Mensch ist das einzige Wesen, das mit dem Verstand eine Ordnung projizieren will und die Kultur mit den Naturwissenschaften nutzt den Willen als Instrument des Verstandes.

Die Erkenntnis eines kulturellen Ursprungs des technischen Weltbildes mit dem Menschen als unabhängigem Beobachter der Maschine ‚Natur‘ führt zu dem Zweifel an der natürlichen Fortentwicklung des Kosmos zu einer verstandesgetriebenen Kultur. Über den Verstand erschließt sich dem Menschen ein winziger Bruchteil aller Signale oder Informationen des Universums. Die dunkle Energie und die dunkle Materie wechselwirken nicht mit dem Menschen, seinen Messinstrumenten und in der Folge auch nicht mit dem Verstand. Er empfängt nicht die Gefühle der Wesen inklusive der Menschen, der Verstand ist eine angewachsene Erweiterung der Nervenbahnen und erlaubt dem Menschen gewisse Anpassungen an seine Rahmenbedingungen. Allerdings nur an die Rahmenbedingungen die sich ihm und seinen Sinnen präsentieren, d.h. wechselwirken.

Die verstandesgeordneten Bilder der Welt sind an ihre Grenzen gekommen. Die einzelnen Bearbeiter und Forscher haben am Ende ihrer Erkenntnis zum geometrisch physikalischen Weltbild neue Begriffe und qualitative Beschreibungen gesucht: implizite Ordnung, Monaden, Informationsnetze, holografische Weltbilder, das Tao, die letzte Wirklichkeit, den Urgrund und Vieles mehr. Bohm hat in seinem Frust über die immer neuen Kreise, die an andere Kreise angestrickt wurden den Zustand der Physik als konfus bezeichnet: "... der typische Physiker mit der Haltung: Wenn ich etwas nicht vorhersagen und kontrollieren kann, bin ich an der Sache nicht interessiert. ... Ich lehne sie (diese Haltung) ab, weil sie konfus ist."[28]

 

Die Physik hat uns nicht an die Grenze geführt, sondern an den Beginn.

 

Der Zustand der heutigen Physik erinnert an die Versuche zur Rettung der Weltbilder in verschiedenen Epochen der Menschheitsgeschichte. In der Neuzeit musste vor allem gegen den Widerstand der Kirche die Erde ihren Platz als das Zentrum der Welt räumen. Das geozentrische Weltbild wurde von Keplers neuem Bild der Epizyklen im heliozentrischen Weltbild abgelöst. Bei Versuchen der Strukturerhaltung wurden mit viel Mühe und Aufwand immer neue Kreise den bestehenden Kreisen überlagert und angefügt. Und doch waren die Beobachtungen nie mit den Berechnungen in Einklang zu bringen.

Das Grundkonzept ist nicht tragfähig. Mit Mathematik auf einfachen Grundlagen, wie dem dreidimensionalen Raum und der Sternenzeit, lässt sich die Welt nicht berechnen. In der Verstandeskultur lässt sich die unberechenbare Welt nicht vorhersagen. Überraschungen sind die Regel, nicht die Ausnahme. Wir sind Zeuge der Versuche mit Regeln in einem endlichen Spiel zu der Unendlichkeit vorzudringen. Das ist ein systematischer, konzeptioneller Fehler. Wenn dieses Weltbild an der Basis mangelhaft ist, dann taugt auch alles daraus Abgeleitete nicht. Da sich nur Ramsdera daraus ableiten lässt, ist jede Handlung, jede Regel, jede Abstraktion, jede Vorhersage und Wirkungsbeziehung daraus untauglich. Die abgeleiteten Konzepte der Macht, der Ökonomie, des Geldes, der Energiegewinnung, des technischen Aufbaus einer materiellen Welt, des Zählens und Wertens und der Abgrenzung von der Natur und der Unendlichkeit sind Krücken für den Verstand.

Das Leben findet trotzdem statt.

Die Bereiche unserer technischen Verstandeswelt sind aus den Grundlagen der Geometrie abgeleitet werden. Die Grundlagen wurden relativ willkürlich festgelegt als die drei Dimensionen des Raumes, in dem man einen materiellen Gegenstand und seinen Weg beschreiben kann. Der wissenschaftliche Fortschritt ist an die Grenze des berechenbaren materiellen Weges gekommen. Materie hat in der Quantenphysik und neueren Paradigmen, wie dem holographischen Weltbild oder der Implicate Order, keinen Platz mehr und schon gar keinen definierten Platz im Raum.

Die Entstehung von Etwas braucht das Licht oder die Wahrnehmung, die kreative Möglichkeiten beleuchtet und den Sinnen präsentiert. Das Kreative ist zunächst eine Vision, die kein Licht braucht. Dort entsteht Mengalo ohne Raum und Zeit in den Möglichkeiten und fügt sich zu Etwas ohne Materie und Körper, noch immer in der Unendlichkeit, allein als die Vorstellung von Etwas. Mit dem Licht, oder wie es in der Quantenphysik heißt: mit dem Beobachter erscheint Ramsdera, indem das Mengalo die Grenzen zu der Welt in Licht durchdringt.

In holographischen Weltbildern oder in der Beschreibung einer ganzheitlichen Welt sprechen wir gern davon, dass Alles mit Allem verbunden ist. Dahinter steckt die Vorstellung, dass Etwas mit Etwas verbunden ist und diese Verbindung erkennbar ist und zutage tritt. Über die Vielzahl der möglichen Verbindungen wird das Netzwerk aber so komplex, dass es für den Verstand undurchdringbar ist.[29] Das ist eine Hilfskonstruktion, die auf der materiellen Welt der Gegenstände fußt. Hier sollen Verbindungen gezählt werden.

Die Verbindungen im Mengalo sind aber nicht von dieser materiellen Gestalt. Hier werden die Gefühle geteilt oder spirituelle Visionen, ohne materialisiert zu sein. In der Unendlichkeit gibt es nichts zu zählen, denn das würde die Unendlichkeit in Ramsdera aufbrechen. Verbindung ist hier der raum- und zeitlose Zusammenhang, wie er in der Quantenphysik als ‚Verschränkung‘ bezeichnet wird.

 

Die Verschränkung der Mengalo ist der Hintergrund aller Ramsdera.

 

In einem simplen, eindimensionalen Geschehen erklärt uns die Quantenphysik, dass das Quantenteilchen erst mit der Beobachtung in unserer Welt erscheint und über seine Wechselwirkungen mit dieser Welt nachweisbar ist. Dabei soll es keinen Übergang oder eine Überleitung zwischen diesen Elementarteilchen und den makroskopischen Körpern geben. Ein materieller Körper kann nicht ebenso aus dem Nichts erscheinen, wie ein Quantenteilchen. Daraus wird implizit geschlossen, dass keine immateriellen Verbindungen in den verschränkten Mengalo existieren, weil sie nicht nachweisbar sind, also nicht durch Beobachtung in die Welt treten.

Das Leben ist aber die Verschränkung der Mengalo und es durchdringt die Welt aus Ramsdera. In der schamanischen Arbeit werden wir Zeuge der Verschränkungen und können sie fühlen. Das Gefühl begleitet uns auf schamanischen Reisen. Das Gefühl leitet uns durch die emotionale Landschaft. Das Gefühl deutet aus dem Soolago auf das schamanische Erleben der neuen Möglichkeiten. Ob sie in der Kommunikation über die Reisen und Erlebnisse mit Worten zutreffend wiedergegeben werden, ist eine andere Frage. Wie es auch eine offene, nicht zu klärende Frage ist, ob diese Zeilen ein Gefühl aus dem Mengalo in der Welt des Lesers wiedererwecken können.

[1] So macht es Schrödinger in seinem bekannten Deutungsversuch: “Was ist Leben?”, in dem er das Bestehen des Ordnungsgefüges von der Entnahme von ‘Ordnung’ aus der Umwelt abhängig macht. Erwin Schrödinger; Was ist Leben?, Neuausgabe 1987, S. 128 ff. Das gilt aber auch weitgehend für die Funktion lebloser Maschinen, die mit Energie gespeist werden müssen.
[2]Wir werden später in diesem Beitrag die Bezeichnung ‚Ramsdera‘ verwenden, nachdem einige weitere Spezifikationen den Umfang dieser strukturierten Welt verdeutlicht haben.
[3]Alexander Friedmann, Die Welt als Raum und Zeit, (1923), Frankfurt a.M. 2006, 3. Auflage, S. 14 ff. Den Konstruktionen von Welten - geometrische, physikalische, technische, ökonomische,.. – geht die Arithmetisierung des Raumes voraus. „Der Prozess der Arithmetisierung des Raumes ist vollkommen willkürlich, ...“ Und weiter auf S. 15: „Es ist sehr wichtig, sich die völlige Willkür der Arithmetisierung des Raumes mit der gebührenden Deutlichkeit vorzustellen und die Arithmetisierung des Raumes nicht gleich mit der Einführung irgendeines bestimmten, allgemein gebräuchlichen Koordinatensystems, etwa gradlinig-rechtwinkliger, polarer oder allgemein krummliniger Koordinaten in Verbindung zu bringen.“
[4]Weiss, Walter: Gödels Unvollständigkeitssatz, die Vernunft, Metawahrheit(en) und Everetts Vielweltentheorie, zitiert nach http://www.vabene.at/html/weiss/goedel.pdf, S. 16. „Seit Kant ist allgemein anerkannt, dass wir die Natur nur beschreiben können, was bedeutet, daß wir uns von ihr nur ein Bild machen. Abbildungen sind aber nie das Abgebildete.“
[5]Descartes hat damit die Voraussetzungen zur Entwicklung einer analytischen Geometrie geschaffen. Mit ihr werden geometrische Aufgaben rein rechnerisch in der Formelsprache der Mathematik bearbeitet. Die Beobachtungen der Natur wurden in eine Geometrie gepresst und damit bis zur Unkenntlichkeit vereinfacht. Das ist in der Verstandeskultur die Basis der Naturwissenschaften. Aus diesen Berechnungen schließt die Wissenschaft auf die Natur zurück und behauptet Zusammenhänge oder Entwicklungen, die dann so ungefähr in Laborversuchen nachgewiesen werden. Die Ungenauigkeit kommt also bereits in der Abstraktion von der Wirklichkeit in der analytischen Geometrie zustande. Sie wird durch Umformungen mit mathematischen Methoden nicht aufgehoben, sondern tendenziell weiter vergröbert. Der Abstand zur wirklichen Natur kann mit analytischer Geometrie nicht verkleinert werden.
[6] René Descartes: Meditationen über die Grundlagen der Philosophie, Nachdruck, Hamburg 1993, Erste Meditation, S. 18.
[7]Arthur Schopenhauer: Die Welt als Wille und Vorstellung, erschienen von 1819 bis 1859
[8]S. dazu den Text zu ‘Konstruktivismus und Wissenschaft’
[9]Erwin Schrödinger: Was ist Leben?, Neuausgabe in Deutsch, 1987, 6. Auflage, München, 2003
[10]Er bleibt zwischendrin stecken, denn in seiner Definition nimmt der Organismus negative Entropie aus seiner Umgebung auf und hält damit das Leben in Gang. In einer weiteren Grabung nach dem Lebensprinzip hätte er folgern können, dass diese Neg-Entropie aus vergangenem Leben gewonnen wird. Tiefer und tiefer in der Ursachenverkettung kommen wir bei der Mutter Erde an, die ihre Liebe mit uns teilt und dafür die Reste des materiellen Lebens für ihren Mantel erhält – oder wie Schrödinger sagen würde: für die Neg-Entropie des Organismus. Schrödinger, Was ist Leben? a.a.O S. 146,147. Damit führt er uns an das Ende der Physik aber an den Anfang des Lebens.
[11] Schrödinger, Was ist Leben? a.a.O S. 146,147. Damit führt er uns an das Ende der Physik aber an den Anfang des Lebens.
[12]Michael Hampe bespricht die Weltsicht von Schelling zwar in einer Diskussion über die Interaktion zwischen Gott und Welt. Hier werden die mens humana ohne Ausdehnung des Cartesischen Dualismus von Geist und Körper angesprochen. Das erinnert an unsere Betrachtung der Unendlichkeit. Dem wird die Materie, speziell der Körper gegenübergestellt als ausgedehntes Wesen „..... ,weil alles Ausgedehnte teilbar ist und alles Teilbare bei seiner Teilung leidet, ... M. Hampe, Eine kleine Geschichte des Naturgesetzbegriffs, Frankfurt 2007, S. 81
[13]Der Weg wird in dem Text zu Stärke in schamanischer Hilfe ausführlich besprochen.
[14]S. dazu den Beitrag zur Chaostheorie, in dem das Chaos als das Grundprinzip der Natur beschrieben wird.
[15]Siehe dazu den speziellen Text zu den Naturgesetzen, in dem die Entstehung dessen beleuchtet wird, was in der westlichen Kultur als ‚Gesetz‘ gelten soll, dass wir der Natur abgerungen haben.
[16]‚Richtig‘ ist etwas vor dem Hintergrund eines vereinbarten Wertesystems oder vor Regeln in einem endlichen Spiel.
[17]Das unendliche Spiel hat keinen Gewinner oder Verlierer, es ist nicht richtig, sondern wahr. Er geht nur darum, das Spiel am Laufen zu halten.
[18]Wahrscheinlichkeit ist der Versuch die Unsicherheit des Eintreffens zu quantifizieren, der Versuch das unendliche Spiel zu planen.
[19]Im Beitrag „Schamanische Sicht auf Menschen“ werden die Eigenschaften des Kreativen und des Konventionellen ausführlich erläutert. Sie sind in Synergie und wirken beide.
[20]S. dazu den Text über die Erkenntnisse der Naturwissenschaft.
[21]Pribram verortet im Gehirn mathematische Berechnungen, was ihm den Weg in die Unendlichkeit des Universums versperrt. Mit der Annahme das Universum sei immateriell, aber geordnet, steht er selbst dem Zugang zum Universum - zu den unendlichen Möglichkeiten im Weg.
[22]David Bohm, Wholeness and the Implicate Order, New York, 1980, S. 246
[23]Der Begriff des Übernatürlichen entspringt der Konvention der Verstandeskultur. Die Verbindung der Wesen ist natürlich, jede andere Form der Verbindung über Kommunikation der Sinne zwischen vermeintlich getrennten Wesen ist verstandeskulturell, aber nicht übernatürlich. Jedes beobachtete Ereignis ist nicht übersinnlich, das widerspricht sich.
[24]Erwin Schrödinger hat das in abgewandelter Form und mit anderen Argumenten der Wahrnehmung für das gemeinsame Bewusstsein besprochen. Für ihn ist ein gemeinsames Bewusstsein die weitaus bessere Erklärung für gemeinsame Wahrnehmungen. Erwin Schrödinger, Mein Leben, meine Weltansicht, Wien 1985, S. 63 ff.
[25]Alle Zitate zu den Weltbildern sind aus dem Holographischen Weltbild, S. 23 ff. (Marilyn Ferguson) kondensiert. Ken Wilber (Hrsg.) Das Holografische Weltbild, Deutsche Übersetzung 1986
[26]Albert Enstein, Mein Weltbild, München, 27. Auflage 2001, S. 191
[27] Michael Hampe, Eine kleine Geschichte des Naturgesetzbegriffs, S. 43
[28]Das holografische Weltbild, S. 66
[29]Die Anzahl der Verbindungen errechnet sich nach V=K2-K mit K als Knotenpunkt.