Menschen

 

Das Denken wird von seinem Thron geholt. In der Verstandeskultur wird es als eine Glanzleistung der Evolution gefeiert. Es gibt dem Menschen angeblich einen Entwicklungsvorteil. Ich nehme den Menschen aus dem Zentrum der Welt und es wird deutlich, dass der Mensch mit Verstand allenfalls auf eine vergleichbare Stufe wie andere Wesen kommt. Der Verstand kompensiert einige Defizite auf den Ebenen der Gefühle und weiterer sinnlicher Fähigkeiten. Das Denken wird gesprochen. Die sich ergebende Kommunikation reicht damit gerade zum Überleben der Spezies. Ein autonomes Denken ohne Gefühle ist unmöglich und ein willentliches Denken ist unsinnig. Die schamanische Sicht ersetzt die rationale Erwartung an die planbare Zukunft. Für die Gestaltung eines zufriedenen und glücklichen Lebens sind von Gefühlen getriebene Handlungen im Vertrauen auf die Geborgenheit in der e eine gute Voraussetzung.

 

Denken und Gefühle

Es lässt sich fragen, warum mittels intensivem Denken, Logik und Argumentationslinien die Bedeutung des Denkens angezweifelt werden kann. Wird das Denken kaputt gedacht?

Das Denken ist ein abstrakter Begriff für Vorgänge, die im inneren Bewusstsein ablaufen. Oft werden diese Vorgänge mit rationalem, logischem oder absichtsvollem Denken gleichsetzt. Das ist eine besondere Ausprägung des Denkens in der Verstandeskultur, jedoch keine inhärente, notwendige Eigenschaft des Denkens. Rationales Denken ist eine Ausprägung aus den möglichen Denkweisen. Das Träumen mündet auch in Gedanken ein, ebenso wie Meditationen, schamanische Reisen, Musik, Tanz oder jede Art von Gefühlen. Keiner dieser Ursprünge für Gedanken ist rational oder vom eigenen Verstand initiiert, obwohl man ihn aus der Erinnerung heranholen und somit in Gedanken kleiden kann. Solches Denken ist möglich, aber nicht rational.

Die Basis aller Verbindungen der Wesen untereinander und die Basis ihres Handelns sind die Gefühle. Dies ist schon deshalb offensichtlich, weil viele andere Kommunikationsvarianten wie Sprechen, Gestik, Blicke oder Gerüche nicht von allen Wesen geteilt werden. Das Leben ist ohne Verbindungen und sozialen Austausch unmöglich und nicht vorstellbar. Für den Austausch von Signalen haben alle Wesen ein gewisses Vokabular an Lauten. Der Mensch hat eine Sprache entwickelt, die das Zusammenleben in einem Sozialgefüge ermöglicht.

Denken und Sprechen 1. Teil

Muss der Mensch denken, weil er spricht?

oder

Muss der Mensch sprechen, weil er denkt?

Der Mensch spricht, weil er sich über seine Wahrnehmung und seine Wirklichkeit mit anderen Menschen auf eine komplizierte und vielschichtige Weise austauschen muss. Er gießt die unendlichen Gefühle zunächst in Gedanken und dann in Worte der Endlichkeit. Sein Werkzeug ist das Gehirn, genauer sein Neocortex, der die gesprochene Kommunikation zu anderen Menschen vorbereitet.

Selbstverständlich gibt es andere nonverbale Kommunikationsformen, die der Mensch verwenden kann und die andere Wesen ohne strukturierte Sprache verwenden müssen. Ist die zusätzliche Verwendung verbaler Kommunikation des Menschen für das Leben, die Natur und die Welt von Vorteil?

In der verbalen Kommunikation kann man lügen, wohingegen die nonverbale Kommunikation stärker an den Gefühlen angekoppelt ist und Lügen als Verbreitung einer anderen Wahrheit kaum gebraucht wird.

Die Gefühle repräsentieren diese Verbindungen in den Wesen. Die Verbindungen waren schon immer da und mit den Gefühlen werden sie spürbar. Mit den Gefühlen kam das Paradies auf die Erde. Es ist ein Zustand des Glücks und der Zufriedenheit, in dem die Erde oder die Natur für die Wesen sorgt. In der Gegenwart agieren sie und reagieren auf Reize, auf Signale oder allgemein auf die Veränderungen in den Rahmenbedingungen. Ein zielorientiertes Denken in die Zukunft generiert Erwartungen an den Eintritt von Ereignissen, die wiederum mit positiven Gefühlen der Freude und Hoffnung oder negativen Gefühlen der Angst oder des Unwillens verbunden sind.

 

Die Gefühle sind die Basis des Handelns.

 

Gefühle sind die Basis des Denkens. Das Denken scheint eine Zwischenstufe zum Handeln zu sein, die speziell bei Menschen mit dem Bewusstsein wahrgenommen wird. Für die Entwicklung des Lebens ist das menschliche Denken nicht notwendig. Das Leben entwickelt sich aus vergangenen Leben und der Liebe. Die Liebe ist der Zündfunke des neuen Lebens. Die Liebe erzeugt das neue Leben und das neue Leben kommt mit der Liebe aus der Liebe zurück.

Wenn der Mensch das Denken in seiner Definition als vorausschauendes, koordinierendes und bewertendes Verständnis seiner Welt braucht, um aus Erfahrungen zu lernen, Gefahren aus dem Weg zu gehen und angenehme Plätze aufzusuchen oder Nahrung zu finden, dann ist das Denken eine spezielle Notwendigkeit, oder sogar eine Reparaturlösung.

 

Leben braucht kein Denken.

 

Kein Wesen außer dem Menschen braucht das Denken um seine Bestimmung zu erfüllen: zu leben. Wir Menschen brauchen das Denken seit wir aus dem Paradies vertrieben wurden und den Bezug und das Vertrauen in die unendlichen Gefühle verloren haben. Die Gefühle die wir mit anderen Wesen teilen und vermehren können, die Gefühle die unendlich sind, die Gefühle aus denen heraus wir handeln, die Gefühle die uns lenken, die Gefühle der Erde, der Welt, des Universums und der Liebe die alles zusammenhält.

 

Auf den Gefühlen sitzt das Denken.

 

Diese Art des Denkens, das die Gefühle ergänzt, vermittelt uns das Bewusstsein. In dem Bewusstsein erscheint das Denken als Reflexion der Gefühle, die wir mit Worten ausdrücken wollen. Auf dem Weg vom Gefühl zum Wort geht etwas verloren, weil Worte offensichtlich eine Einschränkung aus den Gefühlen sind. Neben den Worten hat der Körper die Mimik oder Gestik zum Ausdruck seiner Gefühle, er hat Tränen, Schweißausbrüche, Zittern, Ohnmacht, Träume, Gesichtsfarbe, Nervenreaktionen und ähnliches mehr, was seine Gefühle offenbart. Die Basis des Bewusstseins und damit des Menschseins sind aber die Gefühle und nicht die Worte.

Die Gefühle treiben uns an, sie sind die Basis unseres Tuns. Wir handeln, weil wir fühlen, nicht weil wir denken. Wir hoffen auf ein Ergebnis, wir fürchten uns vor einer Gefahr und gehen weg oder bringen uns in Sicherheit. Wir lieben etwas oder jemand, wir träumen und erwarten ihre Erfüllung. Wir brechen Verträge, weil wir uns einen Vorteil versprechen. Wir lügen und wir vermuten unentdeckt zu bleiben. Aus Liebe sind wir irrational.[1]

Denken und Sprechen 2. Teil

Fehlen dem Menschen andere Verbindungen zu seiner Welt und kompensiert er deshalb die Unsicherheit über die eigene Welt mit verbalen Verabredungen, Rückversicherungen und Vereinbarungen über die Wirklichkeit?

Das Nachdenken über Ursachen und Wirkungen, das Sprechen darüber und der Abgleich individueller Wirklichkeiten ist nicht zwingend für das Lebensprinzip erforderlich. Es gibt mehr Wesen, die nicht sprechen und sich über die Wirklichkeit austauschen, als Menschen. Sie haben eine andere Wahrnehmung und kommen mit den Gefühlen und einer anderen Anbindung an die Welt ihrer Wahrnehmung zurecht.

Ist zuerst die Verbindung zu der Unendlichkeit, zum Chaos, zu allen Möglichkeiten, zu den unendlichen Gefühlen als Basis allen Lebens beim Menschen verlorengegangen? Hat er deshalb einen Neocortex und eine Sprache entwickelt? Ist diese Art von Intelligenz eine notwendige Ergänzung zum Ausgleich eines lebenswichtigen Defizits?

Denken und Körper

Ein autonomes Denken ist unmöglich. Wenn wir annehmen, dass im Gehirn das Denken stattfindet, so ist es an diesem Platz völlig von dem funktionierenden Körper abhängig. Das weist auf die Verworrenheit des menschlichen Denkens in der Neuzeit hin. Wenn der Körper funktionieren soll, damit das Gehirn arbeiten kann, so ist das die Voraussetzung für eine Voraussetzung im physischen Leben und damit selbstbezüglich. Wir denken uns den Körper als etwas mit einer Funktion aus und bilden daraus in der Biologie und Medizin ein Konstrukt, das wir ergründen und sogar heilen wollen. Ohne die Gefühle in diesem Bild haben wir also eine mechanisch agierende Materie mit der Funktion das Gehirn hin und her zu tragen. In einer erweiterten Auslegung lässt sich ableiten: „Die immateriellen Gedanken brauchen die Materie.“

Das Gedankenbild "Gehirn braucht Körper" ist aber gerade in diesem Gehirn entstanden und damit die Voraussetzung für das Funktionsbild des Körpers. Warum bewegt der Körper sich irgendwo hin? Warum tut er mehr als schlafen und essen? Er setzt sich, legt sich oder steht auf, wirft Steine ins Wasser oder einen Ball auf die Wiese, geht an die frische Luft oder rennt mit Anderen um die Wette. Er zeugt Nachwuchs, den er mit Mühe verpflegt und unterrichtet.

Körper braucht Gefühle

Die Körperbewegungen werden von den Gefühlen initiiert. Man fühlt sich hingezogen, braucht etwas um seinen Hunger zu stillen, seine Sehnsucht, sein Verlangen oder seine Neugier. Man fühlt sich abgestoßen, will einer Angst entfliehen, eine Begegnung vermeiden oder einem Druck ausweichen. Einen steinigen Hang hinunterzulaufen ist nicht vom rational denkenden Gehirn zu steuern. Die Abwägung von vielen Varianten seinen Fuß zu setzen und mit den Armen und dem Körper das Gleichgewicht zu halten, ist sicher eine Frage der Übung. Was man aber übt, sind Bewegungsmuster, Stabilität und Gleichgewicht. Das Training des Denkens hilft für das Gleichgewicht und die Bewegung unter unsicheren Erwartungen nicht weiter.

Wenn man dabei bewegungslos sitzt, hat das sogar einen negativen Effekt.

Eine Prüfung der Abhängigkeiten führt uns zu Folgendem: Der Körper braucht nicht das denkende Gehirn, aber das denkende Gehirn braucht den Körper, damit er es mit Nährstoffen versorgt. Das ist nur schwerlich oder kaum überprüfbar, denn das denkende Gehirn wird sich nicht isolieren lassen. Man kann also nicht probeweise den denkenden Teil des Gehirns entnehmen und prüfen, ob der Körper noch am Leben bleibt.

Die Wissenschaft verortet das denkende Gehirn im Neocortex und die Gefühle im Limbischen System. Ich kenne die Gehirnforschung nicht so weit um zu beurteilen, ob tatsächlich Ergebnisse vorliegen nach denen ein menschliches Leben ohne Neocortex "denkbar" ist. Oder noch extremer weitergesponnen: Ob ein menschliches Leben nur mit Neocortex allein möglich ist. Das wäre ein Schritt, der aus dem Auftauchen des Neocortex auf der Bühne der tierischen Evolution folgt.

Wenn die Entwicklung des Neocortex ein Fortschritt der Evolution ist, dann wäre der folgende Schritt in der Evolution die Weiterentwicklung zu einem Wesen mit übergroßem Neocortex oder mit fehlendem Limbischen System und Reptiliengehirn (Rückenmark). Das ist weder plausibel noch denkbar.[2]

 

Die Evolution ist in einer Sackgasse.

 

Wir beobachten oft Tiere und interpretieren ihr Tun in unseren Kategorien des Denkens oder der planvollen Handlungen. Wir beobachten zum Beispiel Wespen, wie sie den Weg zum Schinken suchen und finden. Ist der Schinken unter einem Glockennetz, so unterstellen wir sie würden es mal hier versuchen und mal da versuchen und irgendwann fänden sie dann das Loch im Netz. Beim nächsten Versuch wären sie schlauer und würden die erfolglosen Möglichkeiten auslassen. Dann sind sie drin und zeigen den anderen den Weg, wie man hineinkommt. Das ist eine menschliche Sicht auf die Tiere und ich bin sehr sicher, dass die Wespen ihre Welt anders erleben. Aber aus dieser menschlichen Interpretation können wir zwei wichtige Erkenntnisse mitnehmen:

 

Es gibt Verhaltensweisen, die unseren menschlichen sehr ähnlich sind und wenn wir für das Gedankenspiel annehmen, die Wespen können denken, planvoll handeln und reden, dann ist ihre Verhaltensweise sehr plausibel. Aber da sie einen Neocortex wie wir Menschen nicht haben, dem wir das Denken und planvolle Handeln zuschreiben, zeigt uns die Beobachtung der Wespen, Ameisen, Bienen, Tauben, Gänse und so weiter, eine andere Grundlage für "menschenähnliches Verhalten". Wenn das Ergebnis der Wespentätigkeit in etwa so aussieht wie das Ergebnis der Menschentätigkeit, führt das zu der Erkenntnis, dass auch beim Menschen ein Teil seines Verhaltens ohne das bewusste Denken auskommt. Das wiederum erregt Zweifel an der Funktion des denkenden Gehirns. Eine Wespe kann überleben ohne das denkende Gehirn, ein Mensch kann das nicht. Für ihn ist das denkende Gehirn eine Notwendigkeit, für die Wespe wäre es eine Belastung.

Das Denken ist keine Notwendigkeit in der Natur. Was wir Denken oder Bewusstsein nennen, ist ein Ergebnis aus dem Neocortex. Wenn das Denken also keine notwendige Bedingung ist, dann ist es auch keine Entwicklung der Natur, die den Fortbestand des Lebens zu sichern hilft. Das Denken ist eine Folge des Gehirnwachstums und es erscheint in der Evolution, weil es die Möglichkeit dafür gibt.

Der Mensch lebt also, obwohl er denkt. Die Reduktion Descartes' auf das Denken (cogito ergo sum) ist eine Reduktion auf der falschen Ebene. Die fundamentale Ebene ist das Gefühl und Descartes' Existenzpostulat hätte lauten müssen: Ich fühle, also bin ich (sentio ergo sum).

 

Sentio ergo sum.

 

Denken und Sprechen 3. Teil

Descartes mit seinem „cogito ergo sum“ hat zutreffend seine Denkmöglichkeiten mit seiner Existenz verknüpft. Damit hat er allerdings noch nicht bewiesen, dass er ein Mensch ist, sondern lediglich, dass er ein Wesen ist. Nachdem er diese Erkenntnis in Worte gefasst hat, ist erst seine Existenz als Mensch in der Endlichkeit bewiesen. Mit den Worten kommen jedoch die Zweifel, denn wer verbürgt sich denn dafür, dass er denkt – ausgenommen er selbst. Diese Aussage ist also eine unbewiesene Behauptung.

Solange er diese Behauptung für sich selbst aufstellt und nicht ausspricht, kann er sich dessen sicher sein. Die Kommunikation ist aber der Beginn der Endlichkeit und der Unsicherheit. Weder kann er sicher sein, dass seine Worte von einem anderen Wesen genauso gehört werden wie er sie gesagt hat, noch kann er sicher sein, dass ein Mensch mit diesen Worten denselben Sinn verbindet, den er intendiert.

Descartes fühlt, dass er ist und er sollte nicht darüber nachdenken.

Denken und Verstand

 In der Folge hat sich in der Neuzeit das Denken oder der Gebrauch des Verstandes als die Basis der Wissenschaft, insbesondere der Naturwissenschaft etabliert. Die Frage ist müßig ob Descartes der Initiator genannt werden kann oder ob wir Newton oder Kant dafür verantwortlich machen wollen. Die vorbereitenden Arbeiten kamen aus England von John Locke und David Hume. Immanuel Kant hat diese offenen Enden zusammengeführt und dem Verstand die Priorität vor dem Gefühl oder der Spiritualität eingeräumt.[3] Mit der Reduktion der Realität auf den Verstand werden enge Grenzen um die Welt des Menschen gezogen. Die Grenzen sind so eng, dass aus schamanischer Sicht angezweifelt wird, ob das entstehende Bild der Welt überhaupt ein Abbild des Lebens ist.

Das Denken oder der Verstand lassen ein absichtsvolles Handeln des Menschen zu, insofern scheint der Verstand dem Menschen neue Möglichkeiten geschaffen zu haben, die er ohne dieses Instrument nicht hätte. Der Verstand hilft bei der Kommunikation und dem Aufbau eines Sozialwesens. Hilft der Verstand aber auch der Natur oder anderen Wesen?

Der Verstand ermöglicht ein planvolles Vorgehen und er hilft in der Kommunikation mit anderen Menschen Verabredungen zu treffen, sich auf Gefahren hinzuweisen oder Erkenntnisse über Generationen hinweg weiterzugeben. Ist das nur mit dem Verstand möglich oder können nicht andere Wesen das ohne diese komplexe Denkleistung? Ameisen handeln planvoll und Wespen haben ein sehr entwickeltes Sozialleben und eine ausgeprägte Kommunikationsstruktur, mit der sie einander informieren oder sich warnen.[4] Viele Erkenntnisse der Natur innerhalb einer Spezies werden in den Genen weitergegeben

Denken und Sprechen 4. Teil

Das Sprechen des Menschen ist eine Gabe der Natur. Sie kommt aus der Unendlichkeit, aus dem Soolago, in das Leben des Menschen. Das Sprechen wird gegeben. Es ist von der Ausprägung des materiellen Körpers weitgehend unabhängig. Der Menschen kann an der Stimme erkannt werden, wie an der Seele. Die Stimme des Menschen ändert sich nicht mit Veränderungen des Körpers. Sänger oder Sprecherinnen haben ihr Leben lang die gleiche Stimme – wenn wir von der Kindheit und dem hohen Alter absehen wollen.

Das Sprechen oder Singen ist ein Erkennungsmerkmal und bleibt deshalb weitgehend unverändert im Verlauf des Lebens.

 

Verstand ist für das Leben nicht notwendig.

 

Aus einer schamanischen oder allgemein spirituellen Sicht nähern wir uns aus der Natur der anderen Wesen der Spezies Mensch als einem relativ spät aufgetretenen Hominiden, dessen aufrechter Gang ihn mit einigen praktischen Vorteilen versehen hat. Die Fähigkeiten anderer Wesen fordern einen gehörigen Respekt ein, wenn wir uns deren Leben genauer anschauen.

Ameisen bauen einen Staat auf, sie organisieren ein Sozialleben und sie helfen der Natur. Sie räumen den Wald oder ihre Umgebung auf, sie tragen organische Abfälle zusammen, sie bauen etwas auf. Ameisen haben Straßen, eine Gemeinschaft, sie respektieren ihre Königin. Sie haben verschiedene Stände, Aufgabenteilung, bringen ihre Fähigkeiten in die Gemeinschaft ein und opfern sich für ihren Stamm.

 

Ameisen lernen.

 

Ameisen werden geboren, leben und sterben. Das ist im Grunde mit dem vergleichbar, was der Mensch zustande bringt. Nach menschlicher Definition denken Ameisen nicht, weil sie es nicht können. Im Ergebnis bringen sie aber das zustande, was wir als denkende Wesen auch bewerkstelligen. Wir als Menschen können die Frage nicht beantworten, ob Ameisen denken.

Wir können vor dem Hintergrund noch nicht einmal die Frage beantworten, ob wir Menschen denken. Um uns der Antwort zu nähern, klammern wir im ersten Schritt das aus, was andere Wesen ebenfalls bewerkstelligen, um in ihrem Leben zurecht zu kommen. Das ist die Kommunikation und jede Fähigkeit, die dorthin führt - in unserem Fall die Sprache. Ameisen und Wespen kommunizieren, Bäume und Blumen kommunizieren, Delphine und Hunde kommunizieren. Sie müssen dafür nicht denken und wir Menschen auch nicht. Wenn wir für eine Tätigkeit denken müssen, die alle anderen ohne das schaffen, dann ist unser Denken lediglich eine Reparaturlösung. Das kann zutreffend sein, davon später mehr.

Weite Teile des plangetriebenen Handelns führen bei uns Menschen nur zu mäßigen Erfolgen, jedenfalls nicht zu viel besseren als bei anderen Wesen. Eine beträchtliche Menge der ausgedachten Pläne geht nicht auf, oder die Wirklichkeit in unserer Welt nimmt einen ganz anderen Verlauf als wir das wollen. Wesentliche Gründe sind in der fehlenden Konstanz der Randbedingungen zu finden. Jede Ameise, jeder Delphin, jeder Baum, jeder Mensch erlebt unvorhersehbare Änderungen der Rahmenbedingungen in denen er sich zurechtfinden und entwickeln muss. Die Rahmenbedingungen sind nicht vorherzusehen und der Versuch das zu tun, endet in einem unendlichen Regress.[5] Jedes Wesen hat sich in den Änderungen des Umfeldes zu bewegen und muss darin so lange wie möglich überleben. Das ist die Aufgabe: "Hier sind die Möglichkeiten, nutze sie." Mehr fordert die Natur nicht ab. Das ist einfach genug für jedes Leben und das braucht lediglich die individuellen Fähigkeiten. Die Aufgabe kann mit oder ohne Denken gelöst werden. Der Mensch vermutet, dass er das Denken dafür braucht.

 

Autonomes Denken

Autonomes Denken, das uns Menschen von anderen Wesen unterscheidet, ist die Art von Mathematik oder Logik, die mit den Gefühlen und dem Leben nichts gemein hat. Die Wissenschaft behauptet, dieses Denken oder Rechnen findet nur im Kopf statt, das sei die Vernunft. Die Erkenntnis beginnt zwar bei den Sinnen, setzt sich aber dann über den Verstand zur Vernunft fort. Dort gibt es nun einen Prozess des Denkens (der Vernunft), der von den Erkenntnissen abstrahiert.[6] Ich nenne das ‚Grübeln‘.

Grübeln ist möglich, aber dann hat es nichts mit den Gefühlen zu tun und nichts mit dem Leben. Das Denken im Verstand hat keinen Wert, weil es sich mit Phänomenen beschäftigt, die es nicht ‚gibt‘. Nicht existente Voraussetzungen werden aneinandergereiht, um etwas zu durchdenken, das dann ebenfalls nicht existent ist.[7]

 

Eine Anwendung der Ergebnisse der Mathematik, Physik oder Logik auf das echte Leben und seine Umstände ist unmöglich und noch nicht einmal logisch. Das Denkmodell ist nicht gleich dem Original (der Natur), sonst wäre es ja kein Modell. Selbst in der Natur ist nichts untereinander gleich.[8] Nichts ist gleich und nichts ist zwei, weil das Eine und das Andere nicht zusammengezählt werden können.

Wenn es dieses autonome Denken gibt, dann nennen wir es deshalb autonomen, weil es aus dem Kopf gestartet wird und wir annehmen wollen, dass Denken im Kopf "stattfindet". Den Start für das autonome Denken kann der Wille gesetzt haben und wir unterstellen, dass der Wille frei ist. Das ist wieder eine von den Voraussetzungen, die ein weiteres Denken und die Ergebnisse daraus erst ermöglichen. Wenn der Wille nicht frei ist, ist die Frage nach dem autonomen Denken unzulässig. Lassen wir diese Einwände als Merkposten stehen, damit der Ablauf der Argumentation nicht aufgehalten wird.

Das Bild eines Denkprozesses wackelt ein wenig, denn es ist noch ungeklärt, wie er beginnt. Denken wir zuerst "Ich denke jetzt etwas", und dann denken wir es? Das führt in einen unendlichen Regress, weil dieser Gedanke auch einen Vorgänger haben muss. Das Denken muss also einen anderen Start haben als den Gedanken. Was könnte das sein?

Denken und Sprechen 5. Teil

Wenn die Intelligenz den Gefühlen im Wege steht, gewinnen die Gefühle. Die Gefühle sind die Basis des Daseins. Sie wehren sich gegen Beschädigungen und opfern in ausweglosen Randbedingungen den Körper. Der Neocortex und die Intelligenz sind einer Vielzahl von Beeinflussungen bis hin zur mechanischen Zerstörung fast schutzlos ausgeliefert. Der Neocortex kann eine Sprache entwickeln, die keinerlei Verbindung oder Grundlage in den Gefühlen hat.

Eine besondere Form der Sprache ist die Mathematik. Die Mathematik kann sich völlig autonom ohne einen Bezug zur sinnlich wahrgenommenen Wirklichkeit entwickeln. Lediglich einige Grundannahmen und Festlegungen sind zum Start eines mathematischen Theoriengebäudes notwendig.

Die Gefühle wären ein Kandidat für den Beginn des Denkens, oder die Seele könnte den Prozess auslösen. Das führt in schwierige Überlegungen, weil sie die Verbindungen zwischen unterschiedlichen Ebenen einer nicht materiellen Welt zum Gegenstand haben. Wenn wir für jetzt einmal Seele und Gefühle nicht differenzieren und sie als aus der Verbindung zum Soolago kommend betrachten, dann wäre es auf die Spekulation des Denkens bezogen ein Transfer aus der Unendlichkeit in die endlichen Gedanken. Die unendlich teilbaren Gefühle, die Welt aus dem Soolago, die Möglichkeiten von Etwas, die Seele oder die Spirits sind Hilfsbegriffe für Etwas, das bei der Fixierung mit einem Begriff seine Qualität verliert. Dieses ist der Ursprung des Denkens, dieses schützt uns vor dem unendlichen Regress, weil davor oder darunter nichts mehr sein kann, denn jede Möglichkeit eines Seins oder eben auch eines Denkens kommt daher. Das ist mit den Verbindungen zwischen den Ebenen der nicht materiellen Welt gemeint.

 

Du kannst nicht ‚nicht fühlen‘.

 

Indem ich diesen Beitrag schreibe, denke ich etwas. Ich mache es mir bequem und beginne mit den letzten geschriebenen Sätzen und fahre dann fort. Ich habe tatsächlich das Gefühl zu denken und zwar willentlich zu denken. Ich kann einen Faden wieder aufnehmen, ebenso wie ich einer Kommunikation folgen kann. Da bekomme ich ebenfalls Anhaltspunkte oder Anregungen einem Gedanken oder einer Geschichte zu folgen. Welche Art des Denkens ist das - willentliches Denken? Das gibt es ganz offensichtlich und das scheint bei Vielen und nach dem allgemeinen Verständnis der Ablauf des Denkens zu sein. In dieser Logik muss aber der Wille autonom ein und darf nicht vorher gedacht werden, sonst sind wir sofort wieder in dem unendlichen Regress, weil der Gedanke vor dem Willen wiederum einen Ursprung braucht.

Also wir wollen den Garten umgraben und beginnen zu denken wo der Spaten ist, auf welcher Seite wir anfangen, ob es wohl regnen wird. Wir wollen Schach spielen und denken nach, wie die Figuren aufgestellt werden, wer beginnt, welche Züge ich mache und welche der Gegner mutmaßlich machen wird. An so etwas denken wir, wenn wir vom Denken sprechen: ‚Wir denken, weil wir es wollen.‘

Diese Abfolge mit der reduktionistischen Begründung des Denkens durch den Willen führt in die Irre. Die komplementäre Begründung des Nicht-Denkens macht das deutlicher. In der gleichen Logik wäre auch das Nicht-Denken autonom. Wir könnten das Denken durch unseren Willen stoppen. Und das ist offensichtlich nicht möglich. Dafür steht nicht nur die abstruse Aufforderung: "Denken Sie jetzt nicht an einen rosa Elefanten." Sondern dafür stehen die alltäglichen und allgegenwärtigen Versuche das Denken zu stoppen.

Wir erleben das Denken als eine Störung des Schlafes und der Ruhe, wenn wir wach sind, obwohl wir es nicht wollen. Dann sprechen wir davon, dass uns Etwas nicht aus dem Kopf geht oder die Gedanken uns nicht schlafen lassen. Lassen wir mal dahingestellt ob das Denken die Ursache für das Nichtschlafen ist, oder umgekehrt wir das Wachsein mit Denken füllen. Es bleibt die Essenz, dass wir nicht willentlich das Denken stoppen können, um zu schlafen. Die Meditation ist ein manchmal erfolgreicher Versuch das Denken aufzuhalten, aber er gelingt nur, wenn wir alles gehen lassen, alles vorbeiziehen lassen und auch unseren Willen zurückhalten.

 

Der Wille und das Denken

Ist es denn gar nicht möglich, willentlich zu denken? Ich sitze doch hier und habe mir vorgenommen zu denken und tue das auch. Wir gehen in die Schule und wollen dort denken und tun das. Wir haben eine Verabredung, denken daran und halten sie ein. Aber es gibt viele Gegenbeispiele, in denen der Wille zum Denken nicht zum gewollten Ergebnis führt. Wir wollen an einer Autobahnabfahrt abbiegen und denken im entscheidenden Moment nicht dran und fahren vorbei. Wir wollen einkaufen gehen und vergessen das Geld mitzunehmen. Jede Form des Vergessens ist ein Beleg dafür, dass der Wille das Denken nicht klar und eindeutig dominiert. 

Auf der Suche nach den Hintergründen des Vergessens finden wir eher den Ursprung des Denkens, als mit einer physikalischen Untersuchung des Gehirns.[9] So sehr wir uns anstrengen und es wollen, uns fällt der Name eines Bekannten nicht ein - und wir würden ihn auch nicht mit einem Blick in das Gehirn finden.

Ein weiterer Zweifel an dem Willen als Fundament des Denkens wird von der Erfahrung genährt, dass wir nicht gezielt denken können, obwohl wir es wollen. Es heißt dann, wir können uns nicht konzentrieren oder sind unaufmerksam. In manchen Ausprägungen oder in speziellen Umfeldern mit entsprechender Erwartung wird das Unvermögen zu einem willentlichen Denken als pathologisch eingestuft und medikamentös behandelt. Demenz, Alzheimer oder ADHS sind anerkannte Krankheiten die im Ergebnis oder als Nebenwirkungen den Gedächtnisverlust haben, obwohl der Erkrankte vermutlich denken will. Genauer meinen wir wohl, dass er etwas Bestimmtes denken will, zu einem bestimmten Thema, zu einer Frage, zu einer Aufgabe. Er denkt aber etwas Anderes. Und damit kommt die Frage auf, wie das Andere sich in die Aufmerksamkeit gedrängt hat oder wie das in diesem, nach dem eigenen Willen unpassenden Moment, gerade jetzt initiiert wurde. Jedenfalls nicht vom eigenen Willen, das würde zu einem Widerspruch in sich führen.

 

Erinnerungen sind keine Denkprozesse.

 

Fassen wir kurz zusammen. Auf der Suche nach der Grundlage oder dem Beginn des Denkens haben wir bisher zwei Möglichkeiten untersucht, die als Initiator in Frage kommen: das Gefühl und der Wille.

Der Wille ist nicht der Herrscher über das Denken, weil er das Denken nicht ausschalten kann. Er kann es auch nicht verlässlich in Bahnen lenken und dort belassen. Der Wille kann nicht sicherstellen, dass nur ein Gedanke präsent ist und die anderen verdrängt sind. Er kann auch nicht dafür sorgen, dass ein Gedanke ausgeschlossen wird. Wir können das Denken beginnen, dieser Eindruck bleibt.[10]

Wir nehmen uns vor zu überlegen, welche Karte wir beim Skat ausspielen und denken nach. Wir wollen nachdenken was wir kochen und tun das auch. Aber ganz viele andere Einflüsse lassen uns ebenfalls nachdenken. Wir haben uns in den Finger geschnitten und denken an das Messer. Wir sitzen am Strand und denken an die Wellen. Der Mond regt zum Denken an und die Sonne. Wir hören ein Lied und denken an die erste Liebe. Der Geruch von Mandeln lässt uns an Kuchen denken. In diese Vielzahl von Anlässen reiht sich der Wille als eine Ursache des Denkens ein und seine Stellung ist in diesem Sammelsurium von Ursachen nicht besonders prominent.

Wir haben noch immer das Gefühl als den Ursprung des Denkens in der Hinterhand und das ist das plausiblere und erfahrbarere Konzept als der Wille. Und das Gefühl lässt sich kaum auf das eigene Gefühl begrenzen. Wenn wir diesem Bild folgen, so wäre auch die Möglichkeit für den Denkbeginn oder den spontanen Initialgedanken aus der Gefühlsverbindung mit einem Anderen offen. Diese Verbindung braucht nicht auf zwei begrenzt zu bleiben, wir können die Verbindungen der Gefühle ebenso gut auf Mehrere ausdehnen oder in noch allgemeinerer Form auf ein Gefühlsfeld, an das sich alle Menschen und Wesen anschließen. Dann teilen wir alle Gefühle mit allen Wesen und haben nur die Eigenart des Denkens als eine auf den Menschen begrenzte Fähigkeit - wenn wir es hier einmal so nennen wollen.

Bleiben wir noch beim Denken und steigen eine Stufe höher zu den Inhalten des Denkens. Der Denkinhalt nimmt teilweise skurrile Züge an und kann als unverständlich bezeichnet werden. Wir denken in die Vergangenheit und haben dort unsere eigene Welt der Erinnerungen, die von denen der anderen Beteiligten unterschieden ist. Die Abstimmung über die Ereignisse ist schwierig oder unmöglich.[11] Wir erinnern uns in Bildern an Ereignisse, wir erinnern uns mit Gefühlen an Gerüche, Farben, Geschmäcker, oder Gefühle wie Liebe, Leidenschaft und Schmerzen. Aber wir erinnern uns nicht mit Denken an Gedanken. Wir wissen nicht was wir gedacht haben, als wir heirateten, aber wir erinnern uns, was wir gefühlt haben.

Denken und Planen

Das in die Zukunft gerichtete Denken ist noch weniger nachvollziehbar oder rational zu ergründen. Die Denkweise eines Kreativen ist sehr zu unterscheiden von der eines Konservativen oder eines strukturiert logisch Denkenden oder eines Autisten. Selbst wenn es gelänge, verschiedene Menschen an einen gleichen Ausgangspunkt zu bringen und sie auf die gleiche Frage zu begrenzen, werden die Denkergebnisse sehr unterschiedlich sein. Der eine Mensch hat Erwartungen und ist neugierig, der andere hat Angst, der Dritte ist glücklich. Denken setzt sehr unterschiedliche Gefühle frei - oder setzen die Erwartungen in die Zukunft unterschiedliche Gedanken frei?

 

Erwartungen bringen Gefühle mit.

 

Die Gefühle die wir mit Erwartungen an zukünftige Zustände hegen, lassen uns etwas denken. Warum formuliere ich das so? Nun, weil es nicht das Denken im rationalen Sinne unserer westlichen Kultur sein kann, das uns fröhlich oder ängstlich in die Zukunft sehen lässt. Wenn wir den Verstand gebrauchen, wie Kant es uns gelehrt hat, dann sollte unsere Erwartung neutral sein und ein Gefühl hätte keinen Platz, auf die Gedanken zu reagieren. Kein Ereignis der Zukunft ist schon eingetreten, keine Randbedingung für ein Ereignis ist bereitet, keine Aktion steht fest, nicht die Eigene und nicht die der Anderen. Und doch wird sich etwas ereignen das von dem gegenwärtig erfahrenen Zustand der Wirklichkeit abweicht, denn alles strebt der natürlichen Ordnung zu, die vom Menschen nicht erdenkbar ist.

Planerisches Denken kommt nicht mit der schamanischen Sicht auf das Leben und die Welt überein. Ein Plan geht von der verabredeten Wirklichkeit aus und baut Erwartungen für die Zukunft auf. Durch planvolles, verstandesgetriebenes Handeln sollen schrittweise zukünftige Wirklichkeiten erreicht werden. Das läuft einer schamanischen Vorgehensweise zuwider und es ist aus dieser Sicht unmöglich. Nach jedem Schritt zeigt sich ein neuer Abschnitt des Weges, den man im Vertrauen auf die eigenen Möglichkeiten und die Geborgenheit in der Natur beschreiten kann.

 

Denken folgt dem Fühlen.

 

Das Denken ist ein wesentlicher Teil unserer Natur und damit ist es Natur. Aus sich selbst heraus oder aus uns heraus können wir die Frage nicht beantworten, wie wir oben gesehen haben. Ich werde also den Fragenraum erweitern.[13] Das übergeordnete System, die Rahmenbedingung des Denksystems ist die Natur, denn wir können uns nicht vorstellen, dass wir außerhalb der Natur, außerhalb unserer Physis, denken werden. Wenn das Denken Sinn und Zweck hat, dann muss es den mit der Natur teilen. Einen eigenen Zweck für den Menschen und sein Denken kann es ohne oder gar gegen die Natur nicht geben. Die Frage nach dem Denken führt uns weiter zu der Frage: Was ist die Natur?

Es ist vermutlich aussichtslos zu versuchen, diese Frage von einer untergeordneten Warte aus anzugehen. Natur ist ein Ergebnis des Lebens und einer intellektuellen Erklärung unzugänglich. Von der Warte des Lebens die Natur zu verstehen, ist ohne Aussicht auf Erfolg.[14] Wir haben eine andere Frage von unserer Ebene als Lebewesen schon in einfacher Form angesprochen als: Was ist Leben? Und die vorläufige Antwort dafür war: Die Nutzung der Möglichkeiten. Das ist sicher nur ein Aspekt, aber immerhin ein Start.

Wenn das Denken in der Welt ist, weil es die Möglichkeit dafür gibt, dann haben wir einen neuen Ausgangspunkt. Wir brauchen nun nicht mehr nach dem Zweck des Denkens zu suchen oder nach der Wirkung des Denkens, denn beides ist nicht intendiert von der Natur.[15] Es fällt uns aber auch schwer, das Denken als eine zufällige Variante in der Evolution anzusehen. Das Denken als mentale Funktionen beobachten wir nicht nur bei den Menschen. Insofern es absichtsvolle Handlungen ermöglicht, versetzt es die Wesen in die Lage zu überleben. Sie geben ihnen eine Chance in der Evolution, weil das Denken überlegte Reaktionen ermöglicht, mit denen sie vermeiden was sie fürchten und tun lässt was sie lieben. Diese zwei Grundmuster zum Handeln reichen für einfache Lebensgestaltungen, für das Überleben aus. Die Wesen werden von der Liebe getrieben und von der Vermeidung von Angst.

Wenn wir die Natur verstehen wollen und die Rolle des Denkens darin, müssen wir sie als ein System erkennen, das fähig ist, Geist zu erzeugen.[16] Der Geist mit der Option des Denkens ist ein Sonderfall, der aus den unendlichen Quellen das Denken an einen endlichen Körper gebunden hat. Mit diesem Übergang ist ein Teil des Geistes in der Vernunft wiederzufinden. Das erlaubt es nicht annähernd, die Vernunft oder den Verstand heranzuziehen, um den Geist oder das Leben zu erklären. Das ist in der verstandesorientierten Wissenschaft nicht gelungen und es wird nie gelingen, die Unendlichkeit in endlichen Dimensionen wiederzufinden.[17] Der Geist ist unendlich, die Natur ist es nicht. Die endliche Natur kann nicht den unendlichen Geist beherbergen. Das ist ein materialistischer Erklärungsansatz und er ist unzutreffend und ohne Sinn.

Die Gefühle lassen sich unzweifelhaft in der Natur beobachten, bei jedem Wesen und auch beim Menschen. Die Natur ist ein Ergebnis des Lebens (oder des Geistes). Somit würde es nicht ausreichen, das Denken im Rahmen der Gefühle aus der Natur herzuleiten. In die Dimension des Lebens reicht unser Verstand nicht. Mit Demut und Bescheidenheit können wir es erreichen, über die Gefühle den Geist zu erreichen.

Aus einer spirituellen, schamanischen Praxis können wir an ein gemeinsames Bewusstsein anknüpfen. Diese Synergie ist der Natur ebenbürtig und hat eine Nähe zum Geist und zu dem Grundgefühl des Lebens, der Liebe.

In einem anderen Beitrag habe ich die Erkenntnisse zu Leben, Bewusstsein, Geist und Denken als die Ergebnisse spiritueller Arbeit beschrieben und habe ihnen mit den Inspirationen aus dem spirituellen Bild der Welt eine neue Basis gegeben.

Auf dieser Basis ermögliche ich eine postmaterialistische Interpretation der Wirklichkeit, die hinter die gesetzten Grundprinzipien der Naturwissenschaft und Mathematik greift und dort aus der Verbindung zur Natur die prälogischen Gefühle in das Bild holt.

[1] ‚Eros ist die Liebe, Lust und Leidenschaft zum heiligen Sein der Welt…‘ (nach Platon, bei Christoph Quarch: Platon und die Folgen, S. 159)
[2] Die Menschen mit Asperger Syndrom (Autismus) sind vielleicht ein Entwicklungsschritt in diese Richtung. Es ist zu bezweifeln ob sie für ein autonomes Leben in der Natur gut geeignet sind, wo die festen Strukturen, die sie für ein ruhiges Leben brauchen, eben nicht gegeben sind.
[3] Siehe dazu die Ausarbeitung zu der schamanischen Sicht auf die Philosophie der Neuzeit.
[4] Siehe zu den Details der Verhaltensforschung an Wespen www.stefanklein.info
[5] W. Stegmüller, Probleme und Resultate der Wissenschaftstheorie und Analytischen Philosophie, Band 1, Wissenschaftliche Erklärung und Begründung, Springer Verlag, 1969, S. 151
[6] Immanuel Kant: Kritik der reinen Vernunft; 2. Auflage, 1787, Von der Vernunft überhaupt, S. 237
[7] Siehe die Kapitel über die Voraussetzungen in der Mathematik, der Physik oder der Geometrie und die Folgerungen daraus, die zwar alle eine Logik haben und im wissenschaftlichen Sinne gut, fehlerfrei oder konsistent aufgearbeitet sind. Trotzdem sind sie nicht anwendbar, wenn die Setzungen nicht zutreffend sind.
[8] Siehe das Kapitel über die Gleichheit in der Natur.
[9] Sigmund Freud hat das Vergessen und andere "Fehlleistungen" in seinem Buch "Psychopathologie des Alltagslebens" sehr umfangreich behandelt und ist dabei ausführlich auf die möglichen Ursachen der Fehlleistungen im Unterbewusstsein eingegangen.
[10] Der Wille kommt in der gesamten griechischen Philosophie des Plato und des Sokrates nicht vor. Er wird noch nicht einmal erwähnt, es gibt ihn nicht.
[11] Wie wir das im Kapitel zur Abstimmung über die Wirklichkeit schon beschrieben haben.
[12] Davon handelt der 2. Hauptsatz der Thermodynamik, der angeblich einen Zeitbezug hat, weil sich ‚mit der Zeit‘ die Niveaus der Unordnung angleichen. Aus schamanischer Sicht strebt jedes System auf die natürliche Ordnung zu und die ist das Chaos.
[13] Denn die Frage nach dem Denken gehört vermutlich in die Kategorie der Fragen, die sich innerhalb des Systems nicht beantworten lassen, sie ist eine Goedel-Frage. Ich nenne sie so, weil Goedel bewiesen hat, dass es immer innerhalb eines Systems Fragen gibt, die sich nicht beweisen lassen. Das gilt schon für geschlossene Systeme. Wie aussichtslos ist es also für das Denksystem als ein offenes System, das von außen beeinflusst wird.
[14] Viele Denker und Autoren haben sich der Frage angenommen, ob die Welt intelligibel ist. Die Ergebnisse sind nicht überzeugend und führen oft an den Ausgangspunkt zurück.
[15] Die Unterstellung, dass Natur eine Intention haben könnte, ist eine unbewiesene Hypothese. Ich will das nicht an dieser Stelle thematisieren, sondern nur anmerken, dass selbst für den Fall sie hätte eine, diese nicht ist, dem Denken einen Zweck zu geben.
[16] Nagel 2014: 107
[17] Als ein Beispiel für viele mag der Erklärungsversuch von Ernst Mach herangezogen werden: Die Analyse der Empfindungen und das Verhältnis des Physischen zum Psychischen, 7. Auflage, Wien 1918. Er kommt zu keinem Ergebnis und zu keiner Erklärung des Geistes aus der Materie.