Welt

 

Intelligible Ordnung

Die Wissenschaft der Neuzeit hat ein materialistisches Weltbild aufgebaut und leitet daraus Zusammenhänge und Prognosen für die Gesellschaft ab. Diese Beschreibung und Berechnung der Welt ist nur unter der Randbedingung von Bedeutung, dass die so erfasste Welt intelligibel ist. Im Umkehrschluss folgt daraus, dass eine Welt, die vom Verstand nicht erfasst werden kann, als Basis der materialistischen Welt untauglich ist. Das Weltbild der materialistischen Wissenschaft steht dann auf einer falschen Basis und ist bedeutungslos. Wir werden diese Thesen im folgenden Abschnitt zur intelligiblen Ordnung untersuchen. Am Ende erkennen wir, dass die intelligible Ordnung nur einen kleinen Teil der natürlichen Ordnung erfasst, und zwar einen Ausschnitt des ‚Nichtlebendigen‘.

"Ist die Ordnung der Natur erkennbar?" Diese Frage[1] haben die Gesellschaften der Menschheit immer gestellt. Die Antworten zu dieser Frage nahmen verschiedene Ausgangspunkte und haben dem entsprechend zu sehr unterschiedlichen Weltbildern geführt. Die Frage wird aus den jeweiligen Randbedingungen oder Voraussetzungen abgeleitet. In dem westlichen Kulturraum wird die Frage auf den Verstand eingegrenzt, also: "Ist die Ordnung der Natur für den Verstand erkennbar - ist sie intelligibel?" Die restriktivere Ausformulierung der Frage wäre: "Ist die Ordnung der Natur nur für den Verstand erkennbar?" Eine andere Frage ist möglich, die zu radikal anderen Antworten führen würde: "Ist die Ordnung der Natur erkennbar, aber nicht für den Verstand?"

Wir begeben uns mit dieser Frage auf die Gefühlsebene oder die Instinktebene, auf der alle Wesen anzutreffen sind, vor allem solche, die einen Verstand in menschlichem Sinne nicht haben, sondern die Natur oder ihre Welt anders wahrnehmen und sich in anderen Randbedingungen finden. Andere Wesen als die Menschen haben die Möglichkeit, ihre Welt rein emotional wahrzunehmen. Sie leben und sie erkennen die Randbedingungen ihres Lebens, aber sie grenzen diese Bedingungen nicht mit einem Verstand ein. Auf alle anderen Spezies außer dem Menschen kann die Idee einer 'Ordnung der Welt' gar nicht angewendet werden, weil die Ordnung ein intellektuelles Ergebnis ist. Ordnung ist die Sortierung von Elementen eines Systems, die quantifiziert oder benannt sein müssen, damit sie nach einer Skala geordnet werden können. Die Natur oder das Leben kommen ohne eine Skalierung und Wertung aus. Damit ist die Frage nach einer intelligiblen Ordnung der Natur kontradiktorisch.

Die westliche, materiell eingegrenzte Gesellschaft spezialisiert die Frage auf Basis der Naturwissenschaft noch weiter, indem sie die Randbedingungen einschränkt und formuliert: "Ist die Ordnung der Welt intelligibel im Rahmen einfacher physikalischer und chemischer Modelle?" Eine mögliche positive Antwort führt zu dem Schluss einer Unterordnung der Emotionen und der Muster in der Natur unter die formal aufgestellten, berechenbaren Konstruktionen des menschlichen Verstandes. Wird das möglich sein? Das wollen wir in dem folgenden Diskurs thematisieren.

 Die technische Wissenschaft reduziert die Gesetze und die Teile des Systems auf wenige, einfache Grundlagen, deren Basis die Physik der Elementarteilchen ist.[2] In diesem Bild der Welt kommen das Gefühl und der Instinkt nicht mehr zur Geltung. Sie wurden in der abendländischen Kultur und Wissenschaft abgesondert. In der Renaissance wurde der Geist von der Seele getrennt und das Gefühl aus der Welt der Erkenntnis verbannt.[3] Gefühle, Gerüche, Geräusche oder Geschmäcker, jegliche Art von Mystik oder Synchronizitäten, Geschichten oder Vorahnungen, sind aus der quantifizierten Welt ausgeschlossen. Die Welt, die vom unitären Denken geschaffen worden ist, ist nur ein winziger Ausschnitt aus einer sehr viel größeren Wirklichkeit, denn in unseren Erfahrungen und Erlebnissen erschließt sich ein Universum, das über alle Formen, Bilder und Theorien hinausreicht.[4] Was F. David Peat das ‚Universum’ nennt mit ‚unendlicher Komplexität und Schöpfungskraft’ ist in Bezug auf die Natur ‚das Leben’. Dabei stellen wir die Betrachtung des Universums in seinen kosmischen Ausmaßen hinten an und beziehen uns auf die Erde und ihr Leben.

 

In diesem winzigen Ausschnitt der eingegrenzten Welt setzt die Wissenschaft ein und basiert darauf weitere Einschränkungen, zum Beispiel dass die Welt drei Dimensionen habe und die drei Achsen der Dimensionen senkrecht aufeinander stehen. Sie macht die Annahme, dass die Welt aus kleinen Teilchen zusammengesetzt ist, die sich nicht verändern und dass der Mensch diese kleinsten Teilchen finden kann. Sie beschränkt das physikalische Weltbild auf die wechselwirkende Materie, die etwa fünf Prozent aller Energie im Universum ausmacht und verdrängt aus ihren Erklärungsschemata die restlichen 95 Prozent, die als dunkle Materie oder dunkle Energie klassifiziert werden. Der Mensch definiert Zusammenhänge zwischen Ursachen und Wirkungen, die seiner zweiwertigen Logik genügen, ohne mehrwertige Logiken und damit Wahrscheinlichkeiten in seine funktionalen Modelle der Welt aufzunehmen. Die Zeit spielt eine große Rolle in den Überlegungen, Plänen und Analysen vieler Kulturen, obwohl sie in der Natur keine Bedeutung hat. In der Natur ist nichts von der Zeit abhängig, sondern alles von vorangegangenen Ereignissen, die die Rahmenbedingungen für eine Aktion oder eine Anpassung schaffen.[5]

 

Zeit ist bedeutungslos in der Natur.

 

Der Raum ist ein Denkgebäude des Menschen, ebenso wie die Zeit. Nichts spricht dafür, dass die Natur einen Raum braucht, um sich zurechtzufinden oder zu leben. Der Baum wächst nicht in einen Raum, den er von Geburt an kennt und sogar plant, zehn Meter hoch zu wachsen. Hat er tatsächlich diese Höhe erreicht, dann misst der Mensch die Höhe und kann einen Raum darum konstruieren, den der Baum ausfüllt. Das ist aber nicht der Raum des Baumes. Sein Stamm bildet sich aus dem Wachstum in die Möglichkeiten, seine Äste gabeln sich und entspringen in anderen Ästen, seine Blätter wachsen, wo sie die Gelegenheit dazu finden, seine Wurzeln suchen die Wege zum Wasser - aber keines dieser Ereignisse braucht einen gemessenen Raum.[6]

Die westliche, technische Wissenschaft richtete sich in den willkürlichen Rahmenbedingungen der erfundenen Zeitmessung und der drei Raumdimensionen ein, die zudem senkrecht aufeinander stehen. Es gibt viele Möglichkeiten, den Raum und die Zeit zu quantifizieren und bei genauem Hinsehen spricht nur die Historie für die gegenwärtig gewählte Variante. Eine Historie, die sich füglich auch anders hätte entwickeln können und damit auch zu anderen Maßstäben für die Messung der Zeit und des Raumes gelangt wäre. Und damit haben wir stillschweigend angenommen, dass diese Dimensionen überhaupt quantifiziert werden sollten. Nachdem die Natur sich viele Milliarden Jahre ohne Messungen entwickeln konnte, darf die Notwendigkeit der Quantifizierung von Raum und Zeit generell in Frage gestellt werden.

Wie hat der Mensch denn vor der Quantifizierung der Welt sein Leben zur Zufriedenheit gestaltet und wie orientieren sich alle anderen Wesen in der Welt. Sie haben nach wie vor keine Koordinaten für den Platz, an dem sie sich gerade aufhalten und sie leben ohne Kenntnis der Uhrzeit für Gegenwart, Zukunft und Vergangenheit. Die Menschen haben viele Fähigkeiten wieder verloren oder verdeckt. Früher fanden sie sich in der Natur zurecht und haben ohne Kompass und Karte den Weg durch den Wald oder über die Steppe gefunden. Sie konnten aus Beobachtungen über Generationen den Stand der Gestirne voraussagen. Sie haben ein breites und umfangreiches Wissen über die Heilkräfte natürlicher Pflanzen erworben. Im Verlauf der jüngeren Zivilisationen haben die Menschen die Fähigkeiten wieder verloren ohne Kompass über die Meere zu segeln, wie es die polynesischen Seefahrer schon vor einigen tausend Jahren konnten, als die Europäer noch an der Küste mit Sichtkontakt zum Land hin und her gepaddelt sind.

Wir Menschen haben dem Leben eine Welt übergestülpt, in der wir uns mit unseren bescheidenen Fähigkeiten eingerichtet haben. Wir haben uns zum Zentrum der Welt definiert und versuchen das Leben in unsere Rahmenbedingungen, in unsere Welt zu pressen. Ohne die quantifizierte Welt gilt für jedes Wesen als Orientierung: 'Hier sind deine Möglichkeiten, nutze sie!' Und das können alle Wesen in der Natur. Die Vögel bewegen sich in mehreren Dimensionen und finden ihre Brutplätze, ebenso wie die Fische und Schildkröten im Wasser über tausende Kilometer einen Ort finden, den wir umständlich in der Geometrie über Längen- und Breitengrade bestimmen.

 

Der Löwe braucht Beute, keine Koordinaten.

 

Wir pressen die Tiere in unsere Raumdefinition und nehmen an, sie hätten ein Navigationsgerät im Kopf oder orientieren sich am Magnetfeld. Dabei bleibt die Frage ungeklärt, wer die Zielkoordinaten über welchen Weg in das Tier eingegeben hat. Ein Hund weiß an welcher Stelle er Futter gefunden oder einen Knochen vergraben hat und zwar ohne Koordinaten. Er geht los und folgt einem Geruch oder irgendeiner anderen Leitlinie. Es wäre ihm keine Hilfe, wenn er unsere Angabe hätte: 'Vorgestern war es zwei Kilometer geradeaus und 500 Meter links im rechten Winkel davon.' Der Hund braucht keinen Raum, sein Futter zu finden und der Vogel hat kein Messwerkzeug mit dem er sich in den Dimensionen seines Raumes orientiert. Wir haben keine Erklärung dafür, wie die Meeresschildkröten nach 30 Jahren in denen sie die Meere durchkreuzt haben, ihren Geburtsplatz wiederfinden und ihre Eier dort ablegen.

Vögel fliegen nicht nach Koordinaten. Wir vermuten, dass sie sich aneinander orientieren oder gemeinsam ein Gefühl für ein Feld teilen, das ihnen eine Richtung weist. Vielleicht werden die Zugvögel von etwas angezogen. Wir beobachten die Wolken der Stare und die Pfeile der Wildgänse. Aus unserer Sicht können wir ihre Formationen in den Koordinaten des Raumes beschreiben und nach Erklärungen suchen, warum sich ein Pfeil über das Flugbild ihrer Gruppe legen lässt. Das ist unsere nachträgliche Suche nach einem Ordnungsprinzip, das es zwischen den Akteuren nicht gibt, wenn sie hoch in den Lüften mit ihren Flügeln schlagen.

Die Raummessung ist ein Ergebnis der Kulturen der Völker und ihrer Weltbilder. Der Raum kann in Dimensionen vermessen werden und tatsächlich wird der Begriff der Dimension meist synonym zur Raumdimension verwendet. Die Mathematik kennt eine Fülle weiterer Dimensionen, mit denen sie rechnet und mathematische Modelle bildet.[7] Der Begriff des Raumes aus der Mathematik ist für das Alltagsleben unbrauchbar. Die berühmten Mathematiker definieren den Raum mit Vektoren, ordnen jedem Teilbereich eines Raumes eigene Dimensionen zu oder arbeiten mit den sogenannten unendlichen Dimensionen. Jedenfalls haben diese Konzepte längst die empirischen Beobachtungen des Menschen hinter sich gelassen. Sie erkunden die Tiefen der quantifizierenden abstrakten Weltbilder in einer maximal möglichen Entfernung zur Natur. Sie besetzen winzige Teilbereiche der Erkenntnis in dem natürlichen Chaos.

Die Trennung zwischen der Welt des Verstandes und der Sinnenwelt ist neben der Trennung von Geist und Materie eine wesentliche Grundlage zur Entwicklung der westlichen, materiellen Kultur. Beide Trennungen weisen die Wege aus dem Paradies der Einheit mit der Natur in die Konfrontation der Welt mit ihrer eigenen natürlichen Grundlage. So werden Kämpfe gegen die Natur ausgefochten, die Krankheiten über die Menschen bringt oder dem Expansionsdrang im Wege steht. Natur wird abgeholzt oder abgetötet. Natur wird verbraucht oder ausgegraben und dann verbraucht. Natur wird gestaut und überschwemmt.

 

Natur wird ausgerottet.

 

Die Trennung zwischen der intelligiblen Welt und der Sinnenwelt ist sicher nicht allein für die Entfernung des Menschen von seinen natürlichen Wurzeln abhängig. Sie liefert aber die Legitimation für die Abgrenzung von der sinnlich gesteuerten Natur und die Ausnutzung der natürlichen Ressourcen. Es führt zu einem besseren Verständnis der Welt als ein Konstrukt der westlichen Machtkultur, wenn wir den gedanklichen Hintergrund beleuchten, der zu dem Aufbau eines quantifizierten Weltbildes geführt hat. Dieses Weltbild ist der Container für die Physik und Technik der modernen Welt.

Historie der intelligiblen Weltbilder

Die intelligible Welt hatte schon in der Antike bei Platon einen Platz in seiner Ideenlehre. Die Ideen hatten ewigen Bestand und waren für ihn die Urbilder der Gegenstände. Sie waren nur dem ordnenden Geist zugänglich, mithin dem Verstand. Die Intelligenz konnte hinter den Kulissen der sinnlich wahrgenommenen Welt die Ideen erkennen und ordnen. Der Verstand kann die intelligible Welt in ihrer eigenständigen Existenz erfassen. Er steht nach Platons Ansicht deshalb über den sinnlichen Wahrnehmungen und den damit verbundenen Gefühlen. Das ist das Gegenteil einer schamanischen, naturnahen Betrachtungsweise, die das Gefühl, die spirituelle Wahrnehmung zur Grundlage hat. In der platonischen Anschauung der Natur reduziert der Verstand das Leben auf die denkbaren Möglichkeiten und schafft damit eine elitäre Welt, die nur dem Menschen zugänglich ist.

 In der späten Neuzeit, den Ausläufern der Renaissance, hat Immanuel Kant den Begriff der Intelligibilität aufgegriffen und für seine Studien von der Intellektualität abgegrenzt: ‚... intelligibel aber heißen Gegenstände, so fern sie bloß durch den Verstand vorgestellt werden können und auf die keine unserer sinnlichen Anschauungen gehen kann.‘[8] Demnach sind die intelligiblen Konstruktionen nicht für die Sinne erkennbar. Diese Definition ist eine wichtige Randbedingung für jede Aufstellung einer intelligiblen Welt.

Auch diese weiterführende Ansammlung von ‚intelligiblen Gegenständen‘ zu einer ganzen Welt geht auf die Arbeiten Immanuel Kants zurück, der in den Grundlagen zu einer Metaphysik der Sitten die zwei Standpunkte von vernünftigen Wesen formuliert: ‚...einmal, sofern es zur Sinnenwelt gehört, unter Naturgesetzen (Heteronomie), zweitens, als zur intelligiblen Welt gehörig, unter Gesetzen, die, von der Natur unabhängig, nicht empirisch, sondern bloß in der Vernunft begründet sind.‘ [9] Nach Kant gibt es also eine Welt, die von der Natur unabhängig ist und die offensichtlich nur von Menschen erdacht werden kann, wenn wir unterstellen, dass Kant den Menschen als einzige vernunftbegabte Spezies sieht.

 

Der Mensch denkt die Welt.

 

In den Antinomien schreibt er explizit über die Welt als den Ausdruck für das mathematische Ganze aller Erscheinungen und er meint damit die endliche, zählbare Welt. Die lässt sich in Teile zerlegen und wieder zusammensetzen. Unter der anderen Betrachtung der Erscheinungen als eine Einheit, die sich dynamisch entwickelt und nicht in Raum und Zeit beschreibbar ist, gebraucht er den Ausdruck ‚Natur‘. Die Natur lässt sich nicht in Raum und Zeit beschreiben, aber sie gehorcht Gesetzen und folgt Ursachen, die er als ‚Naturnothwendigkeit‘ bezeichnet.[10] Natur hat eine Kausalität, der kein Mensch entfliehen kann, da er selbst ein Teil der Natur ist. Das hört sich vernünftig an. Eine Freiheit, und damit meint Kant die Willensfreiheit, kann der Mensch nur aus der Vernunft erreichen, und das ist erzielbar, wenn er sich der Natur entzieht und sein Bild in der Verstandeswelt zusammenstellt.

 Die freien Entscheidungen sind der erstrebenswerte Zustand, den der vernunftbegabte Mensch anstrebt. Sein Ego ist dann frei in seinen Handlungen. Um so zu agieren, soll sich das Ego von der Natur befreien. Die Natur hat ihre eigenen Naturgesetze, innerhalb derer es keine Freiheit für den Menschen und seinen Willen gibt. Wegen der ‚Naturnothwendigkeiten‘ kann er sich in einem Geflecht von Ursachen und Wirkungen nicht nach seinem freien, verstandesgetriebenen Willen entfalten. Das gelingt erst, wenn er sich von der Natur entfernt und seine eigene Verstandeswelt konstruiert. Das ist ein Ausgangspunkt für Kant, dem nun nach seinem freien Willen agierenden Menschen notwendige Gesetze, Sitten, Imperative und Regeln aufzugeben, die ein Zusammenleben organisieren und möglich werden lassen. Kant ersetzt die Rahmenbedingungen der Natur durch künstliche, verstandesbedingte Einsichten, die den ‚guten Willen‘ zur Wirkung kommen lassen.[11] Die Rahmenbedingungen der Natur werden durch einen Kanon von Pflichten ersetzt. Die Pflicht ist für Kant ein „...Begriff, der in der Schätzung des gesamten Werts unserer Handlungen immer obenan steht und die Bedingung alles übrigen ausmacht...“[12] Der Mensch bewegt sich mit seinem Ego in einem Gespinst von Pflichten.

 

Der Begriff des Ego und des Selbst hat in einer schamanischen Betrachtung der Welt ebenfalls seinen Platz. Hier sind der Maßstab des Handelns und der Imperativ aber die Verträglichkeit mit der Natur, die Einbettung in die natürlichen Möglichkeiten, die Unterstützung der Mutter Natur und ihrer Spirits. Der Schamane bricht zur Erlangung seiner Freiheit auf, sein eigenes Selbst zu erkennen und zu lieben. Die Freiheit eines schamanisch Handelnden besteht darin, die natürlichen Möglichkeiten als Rahmenbedingungen anzunehmen. „Hier sind Deine Möglichkeiten, nutze sie.“ In der schamanischen Lebensweise gibt es eine große Skepsis gegenüber den ‚ausgedachten Möglichkeiten.‘ Der schamanisch handelnde vertraut seinen Gefühlen und lebt im Einklang mit der Natur und ihren Wesen inklusive der Menschen. Das Ego tritt in vielen Situationen zurück und steht mit Erwartungen oder dem Willen zu einem Ergebnis nicht im Weg.

Auf der Grundlage der Kant’schen Metaphysik entwickelte die Wissenschaft nun Weltbilder aus dem Verstand. Sie machte sich auf die Suche nach Naturgesetzen. Damit verkehrte sie die Evolution in ihr Gegenteil. Die Naturgesetze sind eine Erfindung des menschlichen Verstandes, denn wie wir wissen, gab es die Natur schon vor dem Menschen und wie uns die Chaostheorie zeigt, kann Natur hervorragend ohne die Mathematik und die Physik und ohne eine intelligible Ordnung existieren.[13] Kant behauptet das Gegenteil: „Es sind also gewisse Gesetze und zwar a priori, welche allererst eine Natur möglich machen;...“[14] Sie sind formuliert in der Sprache der Mathematik.

 

Ohne Mathematik keine Natur

 

Die Mathematik ist eine von der Sinnenwelt abgetrennte frei erfundene und verabredete Konvention zur Formulierung von künstlichen Sätzen. Einstein hat die Anschauungen der Kant’schen Metaphysik aufgegriffen und fasst sie für die Physik in einer Frage zusammen: ‚Wenn es nun wahr ist, dass die axiomatische Grundlage der theoretischen Physik nicht aus der Erfahrung erschlossen, sondern frei erfunden werden muß, dürfen wir dann überhaupt hoffen, den richtigen Weg zu finden?‘[15] Diese Frage wird im Rahmen der Physik nicht beantwortet, vor allem weil die Kriterien fehlen, nach denen etwas im Leben als ‚richtig‘ bezeichnet werden kann. Die Grundlagen der Physik wurden von Newton in der Neuzeit festgelegt und von Einstein neu definiert. Er stürzte die Idee des absoluten Raumes und der absoluten Zeit, die noch bei Kant als ‚Grundgesetz‘ verankert war, vom Sockel. Sein Vorschlag des relativen Raumes, der von den materiellen Dingen abhängig ist, geht trotzdem am Leben vorbei. Seine Idee der relativen Zeit wird durch die neueren Forschungen infrage gestellt, die Zeit überhaupt erst durch Ereignisse definiert sehen wollen; vorher ist sie gar nicht existent.

Als indirekte Antwort auf Kant trennt Einstein das physikalische Weltbild klar von den Wirklichkeiten im Leben ab:

 

‚Insofern sich die Sätze der Mathematik auf die Wirklichkeit beziehen, sind sie nicht sicher, und insofern sie sicher sind, beziehen sie sich nicht auf die Wirklichkeit.‘[16]

Die intelligible Welt des Verstandes ist von jeglicher Erfahrung und vom Leben unabhängig. Der schamanische Blick ist von dem Leben mit all seinen Unwägbarkeiten und Unberechenbarkeiten auf die intelligible Welt gerichtet und aus dieser Richtung erscheinen die Folgerungen der Physiker, der Mathematiker, der Ärzte und Genforscher, der Techniker und Ökonomen, aller Repräsentanten der exakten Wissenschaften im wahrsten Sinne als ‚unwirklich‘. Selbst in der Alltagswelt versagen die einfachsten Erklärungen der intelligiblen Welt und lassen keine Übereinstimmung mit dem Leben und seinen natürlichen Grundlagen aus Gefühlen, Synchronizitäten, chaotischen Entwicklungssprüngen und mentalen Verbindungen erkennen.

Angewandte Ordnung

Die einfache Raumvariante der euklidischen Geometrie mit drei Dimensionen will wenigstens die Alltagswelt beschreiben. Das simple kartesische Koordinatensystem ist der Container für die Ingenieure der Technik, die Maschinen mit Funktionen innerhalb der Welt erfinden und einsetzen. Die Gegenüberstellung mit den menschlichen Beobachtungen der Natur zeigt sehr deutlich die Grenzen der technischen Weltbeschreibung auf. Wir haben in der technischen Kultur die Welt vermessen.

An einigen Beispielen aus dem alltäglichen Leben soll das verdeutlicht werden: Man bewegt sich 50 Kilometer zu einer Arbeitsstätte in der die eigene Arbeitskraft verkauft wird, die einen Wert von 15 € pro Stunde hat. Wir nehmen pro Tag 2.500 Kalorien zu uns und wenn der Mensch Fett ansetzt, dann sollte er weniger Kalorien zu sich nehmen. Ärzte messen den Blutdruck und den Cholesterinspiegel, die Betreuung von Hilfebedürftigen wird nach Pflegestufen erbracht. Ein bequemer Schuh, eine Salatgurke und die passende Mülltüte sollen eine bestimmte Größe haben. Wir bestimmen die Lebensdauer und behaupten, wenn sie lange währt, dann sei das gut und die Menschen seien schon deshalb zufrieden. Wir bewerten die Leistungen der Kinder mit Noten und erwarten, dass mit guten Noten ein erfolgreiches Leben gestaltet wird. Die Anzahl der Unfälle soll mit Beschränkungen der Geschwindigkeit reduziert werden. Dabei spielt die Qualität der Autos, der Fahrer, der Verkehrsinfrastruktur und der Rücksichtnahme keine Rolle. Alles was sich vermessen lässt, kann kontrolliert werden. Der Raum und die Zeit sind die Behälter für das Leben. Aber für den „Lebensraum“ der Wesen und Pflanzen in der Natur können wir aus dem technisch vermessenen Raum nichts ableiten, was das Leben erklärt.

 

Das Leben ist nicht intelligibel.

 

Wir erkennen das, wenn wir versuchen, das Aussehen des Baumes einzufangen und zu vermessen. Das können wir mit hohem Aufwand für jeden Ast, jeden Zweig und jedes Blatt im Detail tun und so einen Baum in dreidimensionale Objekte optisch zerlegen.[17] In der einfachen technischen Variante lassen sich die Objekte wieder zu dem Baum zusammensetzen, der dem Baum in dem Entwicklungsstadium ähnlich ist, in dem wir ihn vermessen haben. Wie vermessen wir nun den Geruch des Baumes, den Geschmack seiner Früchte, das Gefühl der Finger an seiner Rinde, die Geräusche seiner Blätter im Wind oder den Aufstieg des Wassers aus der Erde bis in die Blattspitzen? Soll unser Wissen um die Natur um weitere Dimensionen ergänzt werden, oder sind Geschmäcker, Gerüche oder Gefühle keine Dimensionen?

Eine Welt in drei Dimensionen beschreibt einen für den Menschen sichtbaren Teil aus dem riesigen Spektrum der vorstellbaren Welt. Für andere Wesen mit differenzierten Sinnesorganen ist schon diese 'sichtbare' Welt eine andere. Die sichtbare Welt mit den drei Dimensionen ist jedoch die Welt, für die Maschinen konstruiert werden und in der sie ihre Funktionen erfüllen. Diese Welt hat eine intelligible Ordnung im strengen Sinne. Sie ist nur durch den Intellekt zu erkennen und zu beschreiben. In dieser Welt lassen sich mit mathematischen Modellen und den grafischen Ergebnissen die sichtbaren Formen der Natur in einer zweidimensionalen Optik ohne Leben konstruieren.[18]

Unsere Suche nach den Ordnungsprinzipien der Natur führt uns wieder und wieder an die Grenze der Erkenntnis, aber niemals darüber hinaus zurück zu den Ursprüngen in der natürlichen Welt. Wir stoßen in immer komplexere Erklärungsversuche und feiner ausdifferenzierte mathematische Modelle vor, die nur noch wenigen Forschern zugänglich oder 'verständlich' sind. Das ursprüngliche Gefühl wird aber von den Forschern nicht entdeckt, sondern sie lassen diese Ebene immer weiter hinter sich.

 

Gefühle sind ungeordnet

 

Die modernen Weltmodelle des Raumes versuchen ihm 12 Dimensionen zuzuschreiben.[19] Für jeden materiellen Gegenstand in diesem Raum ist ein Ort bestimmbar an dem er sich zu einer Zeit befindet. Das mutet aus unserer alltäglichen Erfahrung plausibel an, denn wir können das überprüfen und bestätigen. Das ist mit Größen messbar, die wir als Menschen mit der Physik unserer Zeit normiert haben. Das aktuelle Urmeter ist aus den Wellenlängen des Lichts definiert und die normierte Längeneinheit liegt für jeden Wissenschaftler und Techniker zur Überprüfung in Paris, Braunschweig und anderen Städten in einem geschützten Raum bereit. Gleiches gilt für die Norm der Zeit. Sie ist auf das Genaueste bestimmt mit Caesium-Atomuhren die eine Sekunde als die definierte Schwingungszahl zwischen Energiezuständen festlegen. Die normierte Uhr auf der Basis liegt ebenfalls in Braunschweig. Sie zählt die Zeit mit einer maximalen Abweichung von 1 Sekunde in 120 Millionen Jahren.

Mit der Genauigkeit der Zeit und der Bewegung im Raum lassen sich vermeintlich die einfachen Bewegungen des Alltags beschreiben. Das trifft vor allem auf die Ergebnisse der Bewegungen von Maschinen zu, oder von Menschen, die wie Maschinen vermessen werden. So lässt sich die Geschwindigkeit eines Autos messen und prognostizieren. Die Geschwindigkeit eines Fußgängers oder eines Geparden lässt sich messen und vergleichen. Der Gepard erreicht seine Höchstgeschwindigkeit, wenn er eine Beute jagt, nicht wenn er vermessen werden soll. Der Fußgänger würde ohne eine Motivation, das heißt ohne ein Gefühl gar nicht losgehen. Es gäbe nichts zu messen ohne ein Ereignis oder eine Gefühlsregung. Eine Entfernung misst sich nicht von allein, es braucht einen Menschen mit einer Messlatte. Ohne den Menschen mit der Messlatte ist die Entfernung trotzdem da. Die Zeitmessung braucht einen Menschen mit einer Uhr. Ohne die Uhr gibt es trotzdem die Zeit zwischen den Ereignissen und natürlich auch die Ereignisse.

Ereignisse ohne Ordnung

Im Leben sind die Ereignisse von Bedeutung, die uns einander näherbringen und unsere Bedürfnisse befriedigen, die eine Wirkung oder eine Erinnerung hinterlassen. Wenn wir einem Freund sagen: „Lass Dich umarmen.“, dann ist nicht entscheidend, wie nah wir uns kommen und wie das gemessen wird. Wenn wir das Gefühl der Freundschaft austauschen, dann ist es unerheblich, wie lange wir uns umarmen, ob man das überhaupt messen kann und mit welcher Genauigkeit. Die Gefühle werden ausgetauscht und das ist ein Ereignis im Leben. Es ist kein Ereignis in der physikalischen oder chemischen Welt. Keine noch so exakte Wissenschaft, erklärt wie die Gefühle ausgetauscht werden. Dieser Vorgang ist nicht intelligibel und doch macht er den wesentlichen Inhalt des Lebens aus.

Für den Intellekt erfassbar und erklärlich sind alle Vorgänge und Zustände, die auf den physikalischen oder mathematischen Grundlagen beruhen, die der Mensch selbst aufgestellt hat. Diese messbaren Grundlagen sind meist plausibel und mit dem Verstand erfassbar, aber sie sind trotzdem frei erfunden. Somit sind alle darauf aufbauenden Erkenntnisse nur so lange gültig, wie die Basis nicht angezweifelt oder widerlegt wird. Auf dieser vorläufigen Basis scheinen also die Grundlagen der Welt messbar und für Jedermann überprüfbar. Jedes technische Instrument wird daran orientiert und ausgerichtet. Darauf basiert eine intelligible Ordnung für jede Maschine in unserer technischen Welt. In dieser Ordnung kann man brauchbare Maschinen bauen und diese Maschinen funktionieren in dem Sinne, dass sie ein Ziel erreichen oder eine definierte Aufgabe erfüllen. Maschinen die das gleiche definierte Ziel erreichen oder die gleiche Aufgabe erfüllen und gleich aussehen, werden als 'gleich' definiert.

Maschinen, Dimensionen, Uhren, Messlatten, Gleichheit und quantifizierte Unterschiede gibt es in der intelligiblen Ordnung. Sie sind ist in diesem Sinne real und verleihen Orientierung für uns Menschen. Die Quantifizierung erleichtert die Kommunikation über Dinge und die Verabredung von einfachen Ereignissen, wie Treffen, Regeln, Kontrollen, Rangordnungen, Bewertungen, usw. [20]Diese Orientierung ist aber nur geliehen und sie gilt nur in dieser Welt der Maschinen. Das wird in der Eile unserer Zeit und in den Erklärungsversuchen für noch unbekannte Ereignisse oft übersehen. Wir sind so von der Tauglichkeit der Ordnung überzeugt, dass die ehemals für ihre Gültigkeit definierten Grundlagen übersehen oder ausgeblendet werden.

Generationen von Wissenschaftlern versuchen in ungezählten Ansätzen immer neue Ereignisse oder Beobachtungen in diese Ordnung zu bringen und so nach und nach das Bild der Welt zu vervollständigen. Immer mehr Beobachtungen werden in das Weltbild gepresst in den Versuchen, die ganze Welt als Maschine zu erklären. Dabei wird missachtet, dass es außerhalb dieser Riesenmaschine ein Leben gibt und das es von der Natur aufrechterhalten wird.

 

Francis Bacon ist gescheitert.

 

Die Natur ist nicht messbar, in der Natur ist nichts gleich, die Natur hat keine Funktion und die Natur hat kein Ziel. Die Natur hat unendlich viele Möglichkeiten und einen ganz kleinen Teil davon beschreiben wir mit unserer intelligiblen Ordnung als unsere Welt, in der wir von uns wahrnehmbare Ereignisse beobachten. Keine mechanistische Theorie ist in der Lage, die Grenzen der Riesenmaschine mit einer weiteren Ausdehnung der Ordnung, mit langem Nachdenken und mit ausgeklügelten Modellen und Methoden zu überwinden und in die Natur vorzustoßen. Mechanistische Weltbilder fallen immer wieder in die Riesenmaschine zurück. Und für diese Rückfälle gibt es so viele Belege wie Versuche.

Allein die Tatsache, dass die meisten Menschen die komplizierten Versuche nicht verstehen, spricht schon für ihre Untauglichkeit im Alltagsleben. Dieser Text reicht nicht aus, um nur annähernd einige Misserfolge verständlich auszuführen. Ein großer Teil der wissenschaftlichen Literatur ist eine Beschreibung der gescheiterten Versuche, die Welt als Maschine zu erklären.

Die Kultur zu der Ordnung

Die Kultur zu dieser intelligiblen Ordnung der maschinellen Welt belohnt und bestärkt jeden Menschen und jede Aktion, die sich in der Riesenmaschine aufhält und bestraft oder verhöhnt diejenigen, die sich außerhalb der Grenzen aufhalten.

Andererseits soll nicht die Idee der intelligiblen Ordnung mit ihrer Manifestation der Riesenmaschine verhöhnt oder vor dem Hintergrund ihrer erfolglosen Beschreibung der natürlichen Welt bewertet und verdammt werden. Ihre Entstehung und Strukturierung folgen dem natürlichen Prinzip des Aufbaus jeder Struktur, ja sie ist sogar ein Beispiel des Werdens und Vergehens jeden Lebens, jeder Materie und jeder anderen Idee, die aus den unendlichen Möglichkeiten der Natur geboren wird und darin wieder vergeht.

Sie hat wie der erste Stein im Wasser, der einen Wirbel verursacht, einen Beginn für eine erkennbare Ordnung, die sich wieder in den Fluss der Möglichkeiten auflöst, wenn der Stein entfernt wird. Vielleicht ist es schwer für uns den Verursacher des Steins zu finden und es bleibt dabei, den Wirbel, die intelligible Ordnung zu beobachten und ihrer Bildung zuzuschauen. Wir verbringen unser intellektuelles Leben damit, die Eigenarten des Wirbels zu ergründen und sind unfähig, uns die Welt als den ungestörten Fluss der Möglichkeiten vorzustellen, wenn dieser Stein weggenommen wird, wenn die erste Manifestation der Idee als Grundlage der intelligiblen Ordnung entfernt ist. Es erfüllt uns mit Unsicherheit oder sogar Angst, an diesem Stein zu rütteln.

Der Wirbel bringt uns zu neuen Erkenntnissen in dieser vorgegebenen Struktur der Logik, basierend auf den Axiomen des Euklid und seiner Nachfolger, die das axiomatische Gebäude ausgebaut haben, die neue Einschränkungen hinzugefügt haben, wie die dritte Raumdimension oder den alleinigen Gebrauch des Verstandes oder die Trennung von Geist und Materie. In dem Wirbel werden wir immer weiter hinuntergezogen und schweben in der Struktur tiefer in die materielle Welt wie in einem Trichter, der keinen Weg nach oben zulässt.

Es gibt aus diesem Sturz in die Physik und Mathematik keine Umkehr in das fließende Wasser der natürlichen Möglichkeiten, wie es aus einem starken Wirbel kein Auftauchen gibt. Der Weg zur ordnungslosen Natur ist abgeschnitten und die Forscher an der Front der materiellen Welt ahnen lediglich die Antworten auf ihre Rätsel und Fragen. Am Ende ihrer Möglichkeiten erscheint das Gefühl für einen Durchbruch zur Spiritualität, der Antworten bereithält für die sie keine Fragen kennen. Das Prinzip der Erkenntnis durch weitere Fragen wird aufgelöst. Der Status der Ratlosigkeit erhält zwar einen Namen wie 'Chaostheorie' oder eine Prozessbeschreibung wie 'zunehmende Entropie', oder eine Vorgehensweise wie 'Kreativität', oder ein undefiniertes Ziel wie 'Unendlichkeit'. Aber alles das ist außerhalb der mühsam aufgebauten Erkenntnisse zur materiellen Welt.

Mathematik, Physik und die anderen Naturwissenschaften erweisen sich als ungeeignet ein brauchbares Bild der Welt zu beschreiben und wir müssen uns zugestehen, dass der erste Stein, der den Wirbel verursacht hat, sich schon in den Weg des natürlichen Flusses aller Möglichkeiten gestellt hat. Euklid hat ein Gedankengebäude aus logischen Schlussfolgerungen aufgebaut, aber weder er noch Descartes, noch Newton, Einstein oder Kant, haben den Anspruch erhoben, ein komplettes Bild der Welt zu beschreiben. Die intelligible Welt wird schon bei Kant von der Sinnenwelt isoliert.[21] Erwin Schrödinger kommt als zweifellos genialer Physiker nach langem Nachdenken zu dem Ergebnis, dass der lebende Organismus nicht materiell zu beschreiben ist, ‚weil sich dessen Bau von allem unterscheidet, was wir je im physikalischen Laboratorium untersucht haben.‘[22]

Die westliche Kultur hat sich die Argumente aus den Forschungen zu einem materialistischen Bild der Welt zurechtgelegt, um ihre Machtgesellschaft zu alimentieren. Die Befürchtungen Albert Einsteins haben sich leider erfüllt, weil die Forschungen in die Hände der wirtschaftlichen und politischen Macht gefallen sind, die nun das Schicksal der Mehrheit dominieren.[23] Diese Erkenntnis hätte er schon früher ableiten können, denn schon zu Beginn der Neuzeit haben die Mächtigen die Erkenntnisse selektiert, die ihre Macht und Kontrolle bestärkt haben. Es war schon zu Einsteins Lebzeiten absehbar, dass die Macht ‚durch die Schaffung raffinierter Mittel geistiger und seelischer Beeinflussung den Nachwuchs unabhängiger Persönlichkeiten unterbindet.‘[24] Diese Entwicklung war in der Renaissance schon erkennbar, sie hat sich verstärkt und die Wissenschaft auf der Linie des Materialismus gehalten.

 

Die Machtkultur dominiert das Weltbild.

 

Der jetzige Zustand ist das Ergebnis einer alles dominierenden Anschauung der Welt als physikalisches Gebilde, das mit der Mathematik beschrieben wird.

 

So ist die intelligible Ordnung ausgedacht, sie wurde nicht gefunden. Sie beruht auf einfachen Annahmen, wie den drei Dimensionen des Raumes, der Einrichtung einer Messung für die Zeit, der Annahme eines Gleichheitsgrundsatzes, der Logik oder der Zielorientierung einer Entwicklung. Das ist ein Teil der Rahmenbedingungen, in denen sich die Wissenschaft bewegen darf. In dem Rahmen erfindet und formuliert die Forschung ständig neue Modelle und Bilder, an denen der Mensch sich orientieren soll. Dieser Weg führt zu Ursachen und Wirkungen innerhalb des Systems, zu Erklärungen und Funktionsbeschreibungen, zu quantifizierten Abläufen und Ergebnissen, zu überprüfbaren Hypothesen und beweisbaren Sätzen. Aber er führt nicht aus diesem System heraus. Es gibt keinen Weg aus dieser Ordnung heraus mit den gleichen Mitteln und Annahmen, die hineingeführt haben.

In diesem System hat der moderne Mensch der materiellen Gesellschaft sich eingerichtet, wie in vielen anderen Systemen vorher und so wird er sich Bilder seiner Phantasie erbauen, innerhalb der von anderen Menschen konstruierten Grenzen. Er wird Fragen stellen, die sich in seiner konstruierten Welt nicht beantworten lassen und er wird sich wundern, welche Erscheinungen immer wieder aus der umgebenden Natur an seinem Bild rütteln. Das Frageprinzip ist systemimmanent und eine Konstruktion der intelligiblen Ordnung. Die Natur hat keine Welt im Leben. Sie ermöglicht lebendigen Wesen, sich ohne Fragen zu ernähren und zu vermehren. Aber sie ist mit den Möglichkeiten des Menschen nicht zu verstehen.

Die Natur kann gefühlt werden, das ist das Positive. Das Gefühl teilt der Mensch mit den anderen Wesen und mit der gesamten Natur, damit ist er in ihr eingebettet. Es wäre eine Anleihe an sein intelligibles Bild von einer Verbindung zu sprechen, denn eine Verbindung hat einen geometrischen Hintergrund und so etwas wie Geometrie kommt in der Natur nicht vor. Schon die Interpretation des Wortes 'Geometrie' als 'Vermessung der Welt' ist eine Einengung des kreativen Chaos der Natur.

 

Das Chaos ist erkennbar, aber nicht zu verstehen.

 

Nicht intelligible Ordnung

Wir leben in den Rahmenbedingungen der Natur, auch wenn wir sie nicht verstehen. Für das Leben scheint es also unerheblich zu sein, ob die Wesen etwas verstehen. Die Frage nach der Intelligibilität der Welt kommt in diese Welt, weil wir in der Lage sind, Fragen zu stellen. Die Natur würde auch ohne das Frage- und Antwortspiel die Menschen als Kreaturen zulassen, wie sie das mit jedem anderen Wesen ebenfalls tut. Wenn die Natur eine intelligible, quantifizierte Ordnung brauchen würde, dann hätte sie die Ordnung. Sie hat Milliarden Jahre Zeit gehabt. Vielleicht gibt es tatsächlich eine Struktur, die sich herausgebildet hat in dieser langen Periode. Vielleicht gibt es einen Prozess, der wiedererkannt werden kann in den unterschiedlichen Abläufen des Lebens. Es spricht aber nicht viel dafür, dass dieser Prozess so gestaltet ist, dass er für einen Verstand erkennbar ist.

Gerade das jüngste Mitglied in dem Reigen der natürlichen Wesen soll in der Lage sein, eine Ordnung zu erkennen, die seit Milliarden von Jahren existiert und so lange hinter den Kulissen versteckt wurde, bis der Mensch seinen Auftritt auf der Bühne des Lebens hat. Jetzt endlich gibt die Natur ihre Geheimnisse preis oder der Mensch entreißt sie ihr mit seiner unaufhaltbaren, siegreichen Intelligenz.[25] Diese Intelligenz muss zuerst eine Antwort auf die einfache Frage geben: Warum sollte die Natur Geheimnisse haben? Selbst wenn diese Frage plausibel beantwortet würde, schließt sich doch die nächste offene Frage an: Warum gibt sie ausgerechnet jetzt ihre Geheimnisse preis und nicht erst in 100 Millionen Jahren? Nach der Darwin’schen Evolutionstheorie gibt es dann eine Intelligenz, die noch leichter in die Geheimnisse eingeweiht werden kann.

 

Natur hat keine Geheimnisse.

 

Mit der Quantifizierung der Welt und dem Reduktionismus, mit der Annahme eines teleologischen Weltlaufs innerhalb einer anthropozentrischen Natur, auf der Suche nach den unveränderlichen Naturgesetzen, finden wir Antworten auf die von uns gestellten Fragen heraus, deren Grundlagen wir vorher als Voraussetzungen und Axiome selbst hineingesteckt haben. Diese Beschreibung hört sich absurd an und unwirklich. Jeder Wissenschaftler würde doch merken, wenn er Ergebnisse erzielt, die wieder zu den Grundlagen des Weltbildes zurückweisen, von denen er ausgegangen ist.

Sind solche Erkenntnisse und Zirkelschlüsse lebensnotwendig?

Wenn die Physik oder Chemie keine Fortschritte bei der Erklärung des Lebens und seiner Grundlagen machen, haben sie vielleicht andere Erkenntnisse und Einsichten gewonnen, die für das Leben im Allgemeinen notwendig sind. Gab es vor der Erfindung und den weiteren Entwicklungen der Geometrie, der Mathematik oder der Physik Weltfragen oder Lebensprobleme, die nur mit diesen Methoden und der darauf aufbauenden Weltsicht gelöst oder beantwortet werden konnten? Mit anderen Worten: Braucht der Mensch eine intelligible Ordnung auf dem Niveau der heutigen Wissenschaft, die sich in alle Lebensbereiche ausgedehnt hat?

Auf viele Lebensbereiche trifft das nicht zu. Der Mensch hat sie mit der notwendigen Sachkunde schon vor der formalen neuzeitlichen Aufbereitung der Aufgabenfelder zu seiner Zeit befriedigend lösen können. Die Seefahrt war schon vorher möglich und erfolgreich, wie wir in dem obigen Beispiel nachgewiesen haben. Das Wohnen und die Errichtung von Hütten, Tipis, Häusern und selbst Pyramiden oder Tempel brauchte nicht die Naturwissenschaften der Neuzeit. Die Menschen schafften das ohne hochentwickelte Mathematik oder Physik. Sie konnten sich ernähren, sie konnten leben und ihre sozialen Bedürfnisse befriedigen.

Ein Beweis ohen Basis

Als ein Beispiel für diesen Regress soll die Erklärung zum Auftreten des Lebens herangezogen werden.[1] Nach Schrödingers Theorie ist das Leben dadurch gekennzeichnet ist, dass es Negentropie, Ordnung oder Energie aufnimmt. Damit würde das Leben seine Funktionen erhalten. Miller hat in seinen Experimenten mit einer ‚Ursuppe‘ festgestellt, dass die Zuführung von Energie zu seiner Mixtur von materiellen, toten Substanzen zur Bildung von Aminosäuren führt. Das wären die Bausteine des Lebens. Miller meint, er hätte das Leben gefunden, das vorher von Schrödinger als Leben definiert wurde. Tatsächlich sind aber weder die Aminosäuren, noch Schrödingers Theorie ein Beleg für Leben. Die Aminosäuren vermehren sich nicht und Schrödingers Theorie keine Verbindung zum Geist oder zur Seele des Lebens.

Es wurde eine Hypothese erforscht und nachgewiesen, die auf einer unrichtigen Erkenntnis beruht.

Es gibt ewige Fragen, die auf der Ebene einer quantifizierenden Wissenschaft unlösbar sind. Gefühle und naturnahe Ereignisse des Lebens sind nicht berechenbar. Zwischenmenschliche Beziehungen lassen sich nicht formalisieren, sie sind nicht intelligibel. Die meisten Entscheidungen im Leben werden nicht nach ausführlichen Berechnungen mit ausgetüftelten mathematischen Modellen getroffen. Wo ich ein Brötchen hole, wem ich zum Geburtstag gratuliere, welche Menschen ich meide und wieviel Kinder ich habe, wird nicht kalkuliert. Solche Fragen und Entscheidungen sind nicht intelligibel und sie brauchen es auch gar nicht zu sein. Fragen des Lebens sind auf mathematischer Ebene unentscheidbar oder unlösbar.

 

Das Leben hat keine Fragen.

 

Alle Fragen der Gefühlsebene sind individuell und damit nicht gleich oder allgemeiner Natur, selbst wenn sie zu vergleichbaren oder ähnlichen Handlungen, Ergebnissen oder Zuständen führen. Jede Empfindung und jede Wahrnehmung oder Erfahrung entzieht sich einer vergleichenden Skalierung, sie ist nicht zu quantifizieren und zwischen den Individuen eindeutig zu vermitteln, selbst wenn sie mit den gleichen Worten beschrieben wird. Trauer ist nicht gleich Trauer, Liebe des Einen ist ungleich der Liebe des Anderen, Rot ist keine vergleichbare Wahrnehmung, Schmerz empfindet jeder anders - und doch sind es dieselben Worte.

In der Mathematik ist 1=1, andernfalls fällt das aufgebaute Formelgebäude zusammen. Ein Tag muss gleich dem anderen sein, selbst wenn ihn ganz unterschiedliche Ereignisse füllen. Ebenso muss ein Lichtjahr gleich einem beliebigen anderen Lichtjahr sein, andernfalls ist eine Kosmologie undenkbar. Der Mensch baut quantitative Modelle auf, aber sie bilden die erlebte Welt nur ungefähr ab. Die Wirkung einer Medizin lässt sich lediglich in einer idealisierten und von der erlebten Welt abgetrennten Laborsituation voraussagen. Die konkrete Wirkung in den Lebensumständen eines Individuums ist unsicher. Die Wirkung einer Pille ist nicht gleich der Wirkung einer Pille. In diesem Sinne hat eine Ursache viele Wirkungen. Das ist eine Konstellation, die unsere moderne quantifizierende Wissenschaft nicht abbilden kann. Das Leben in seiner umfassenden Form mit vielfältigen Zuordnungen, Zufällen und chaotischen Wendungen ist nicht intelligibel. Die Zunahme der Entropie charakterisiert die Lebensprozesse und macht sie gleichzeitig unberechenbarer.

 

Entropie ist Natur

 

Natürliche Ordnung

Die Zunahme der Entropie ist die Aufhebung der Gleichheit, die in der Struktur der physikalischen Welt erzwungen wurde. Aus Sicht der Physik nimmt damit die Unordnung zu, aus Sicht der Natur nimmt die natürliche Ordnung zu und die Ungleichheit der Elemente einer Menge wird wiederhergestellt. Ungleiche Moleküle einer Menge lassen sich nicht zu einer Ordnung zusammenfassen. Jedes Molekül hat seine eigene Ordnung, jedes Steinchen hat seine eigene Form, eigene Farbe und seinen eigenen Platz, seine eigene Ordnung. Wenn wir Menschen sie nicht erkennen, können wir das nicht der Natur oder der Muschel anlasten. Unsere Definition der Ordnung greift einfach zu kurz.

Jede Fliege ist ein Individuum, das für sich selbst eine Ordnung hat, einen Platz in seiner Welt und eigene Möglichkeiten. Jeder Mensch kann für sich selbst erkennen, wo er ist, was er sieht, wie er reagieren wird und ob er demnächst seinen Arm hebt. Die Unordnung, das Chaos, die Entropie und die Unberechenbarkeit sind Betrachtungen der höheren oder externen Ebene, die eine Klassifizierung bildet, innerhalb der alles gleich und berechenbar sein soll. Die Ordnung versucht sich auf die Individualität zu legen. Die Elemente der Klassen werden sortiert und gruppiert und vermessen, sie werden in eine Struktur gepresst. Gleiche Eigenschaften werden identifiziert und als allgemeines Kriterium der Menge ähnlicher Elemente über die Vielfalt gestülpt.

 

Einfalt will die Vielfalt ordnen.

 

Wenn die Vielfalt sich wieder befreit und das Bild der Struktur zerstört, geht die Ordnung verloren und mit einem Mal wirkt dann alles unordentlich, chaotisch, unberechenbar und zufällig. Die Natur bricht durch die Ordnung. In physikalischer Terminologie nennt man diese Beobachtung eine Zunahme der Entropie. Die Natur schafft die Voraussetzungen für neue Möglichkeiten.

Das mag einerseits beängstigend sein, weil die Menschen einen sehr großen Aufwand betreiben, die von ihnen geschaffenen Strukturen gegen den Zerfall in die natürliche Ordnung mit der damit verbundenen Zunahme der Entropie zu verteidigen. Das Ordnungs- und Wertesysteme der westlichen Kultur und ihrer Ökonomie beruhen darauf. Die Anwendung von Macht ist die Verteidigung von Strukturen, Grenzen, Regeln und Besitz. Mit einer Konservierung von Strukturen agiert der Mensch und jedes andere Wesen immer gegen die Natur. In der Natur ist die Entwicklung von einer vollkommenen Kreativität und Freiheit zu einer Struktur gerichtet. Die Struktur ist tot. Zwischen der Kreativität und der Struktur findet das Leben statt.

Die Natur ragt immer wieder in das Leben hinein und bringt neue Impulse und Kreativität mit. Diese Möglichkeiten lassen sich nutzen und in das Leben übernehmen, wenn man keine Angst hat und den Spirits vertraut, die das alles bereithalten. Die Zunahme der Entropie ist kein Angriff der Natur, sondern ein wohlwollendes Angebot zur Verbesserung der Qualität in einer quantifizierten Welt.

Die Zunahme der Entropie, also der Einfluss der natürlichen Ordnung, verleiht Mut und Hoffnung. Denn von dort kommen die neuen Möglichkeiten, die Potenziale und die Kreativität. Sie begleiten den Verfall in die Struktur mit den neuen e'a, die eine bessere Zukunft erwarten lassen, wenn das Wesen den Prozessen in der Natur vertraut.

Die Chaostheorie sucht nach den Strukturen in der Auflösung und findet Turbulenzen, Attraktoren und Bifurkationen, die sie mit anspruchsvollen mathematischen Methoden formuliert. Sie erkennt aber auch an, das sowohl das Chaos, wie die Ordnung nebeneinander existieren und sich gegenseitig bedingen.[26]

Die Chaostheorie ist auf der Suche nach dem Ausgangspunkt von dem jede geordnete Struktur ausgeht. Bei diesem Vorhaben ist zu beachten, dass die Basis von Alledem ungeordnet ist. In der Natur sind sich manche Erscheinungen und Ereignisse ähnlich aber nicht gleich. Die Physik, die Biologie, die Medizin und jede weitere Wissenschaft der technischen Gesellschaft fügt die Ähnlichkeiten zu Werkstoffen, Arten und Klassifizierungen, Diagnosen, Maschinen und weiteren Vergänglichkeiten zusammen, oder verbrennt sie einfach.

Die technischen Lösungen und Strukturen sind Ergebnisse des Materialismus. Sie werden niemals etwas Anderes als materielle Gegenstände in die Welt bringen. Eine Verbindung zum Leben, das den Geist und das Bewusstsein einschließt, hat der Materialismus nicht. Er ist vom Verstand in rationalen Prozessen erfunden worden und der Materialismus hat sich auf verschiedenen Teilbereichen an einige Erscheinungen des Lebens, an einige Formen herangearbeitet. Die Abbildung chaotischen Verhaltens in Modellen der Chaostheorie kann fraktale Formen schaffen, die natürlichen materiellen Erscheinungen ähneln.

Vergleichsweise einfache mathematische Verfahren und Formeln legen die Basis für die Mathematik der Fraktale. Ihr Wesen besteht in der Iteration als Berechnungsverfahren, bei der das vorangegangene Resultat die Grundlage für die nächste Runde der Iteration ist.[27] So verändern sich die Wege in die Zukunft und bauen aufeinander auf. Die sich ergebenden Formen sind dimensionslose Wege, bei denen sich die Strukturen wiederholen, aber nicht die einzelnen Ergebnisse. In einer fortgeschrittenen Form bestehen sie aus einem Term, der immer wieder aus dem Ergebnis der vorangegangenen Rechnung verändert wird und einem feststehenden Term, der mit der neuen Iteration gefestigt wird. Mit diesem Prinzip werden die materielle Welt und Abbildungen von Formen der Natur simuliert - Neues und Altes bestehen nebeneinander. Struktur und neue Möglichkeiten bilden Synergie und gemeinsames Leben.[28]

Lebensprozess in Iterationen

Die Fraktale berechnen sich in Iterationen, wie die Anpassungen des Lebens an die Randbedingungen in immer neuen Generationen.

Fraktale: Die Ergebnisse der Iterationen des Ausdrucks Z2 + C werden für die nächste Iteration in Z eingesetzt. C soll eine komplexe Zahl sein und im Ergebnis ist der Ausdruck ebenfalls eine komplexe Zahl. Die schrittweisen Veränderungen lassen das Modell nie mehr an den Ausgangspunkt zurückkommen. Das neue Ergebnis baut auf dem alten auf und schraubt sich einen Schritt weiter.

Leben: Wie in der natürlichen Entwicklung ist die nächste Generation nur der vorherigen ähnlich, aber niemals gleich. Das Entwicklungsbild des Gleichungsmodells lässt sich mit einer Schraube oder Spirale beschreiben.

Die Spirale haben wir bei der Beschreibung des Lebensprinzips unter „Der spirituelle Strom“ als Bild herangezogen.

In den Axiomen der traditionellen Mathematik und Geometrie haben die Gelehrten die Dimensionen zugeordnet, und zwar die Dimension 1 für eine Linie, die Dimension 2 für eine Ebene und die Dimension 3 für den Raum. Der Punkt hat die Dimension 0. In der speziellen Anwendung des orthogonalen Koordinatensystems stehen die Vektoren senkrecht aufeinander. Dieser Spezialfall wird in der Schule gelehrt und wenn es ein allgemeines Verständnis des Raumes gibt, dann ist es diese eingeschränkt gültige Messung von Höhe, Breite und Tiefe.

Dieses Bild der Welt steht neben dem tatsächlich beobachteten Bild der Natur und jedem natürlichen Wesen oder jeder natürlichen Bewegung. Etwas senkrecht aufeinander Stehendes gibt es nicht in der Natur, ebenso wenig, wie es etwas Gleiches gibt oder etwas Abzählbares und Geordnetes.

Flächen des Koordinatensystems sind Papierblätter. Länge mal Breite ist die Grundfläche und die Höhen sind weitere Papierblätter. Weiter stellen wir uns vor, wir haben zwei Punkte in einem solchen Koordinatensystem und können auf den Papierblättern ihre Entfernung ablesen. Wir berechnen genau, welcher Zwischenraum zwischen den Punkten liegt. Nun machen wir Folgendes: Wir zerknüllen die Papierblätter, mit anderen Worten: wir schaffen gebrochene Dimensionen. Die Punkte sind noch immer da, aber ihre Entfernung muss anders berechnet werden.

Die Chaostheorie erforscht ungeordnete Systeme und hat in dem Spezialgebiet der fraktalen Geometrie Systeme entdeckt, die sich zwar mathematisch beschreiben lassen, aber dem gängigen Paradigma der wohlgeordneten dreidimensionalen Welt entschwunden sind. Die Fraktale haben gebrochene Dimensionen von 1,26 oder 2,71 und keine erkennbare Ordnung, die sich einem Kriterium unterordnet. Unter gleichen Anfangsbedingungen kommen nicht prognostizierbare Resultate heraus und die Ergebnisse streben sogenannten Attraktoren zu. Es gibt keine zwei gleichen Fraktale. Struktur existiert neben Chaos.

 

Struktur entsteht aus dem Chaos

 

Die traditionelle Mathematik der Neuzeit hat auf einer Axiomenbasis eine Geometrie und Physik errichtet, die in sich schlüssig ein Gebäude trägt, dem aber keine Wirklichkeit in der Natur zugeordnet werden kann. Die Aktionen in diesem Gebäude isolieren die Gesellschaft, die Wissenschaft und die Wirtschaft von der Natur. Diese Gesellschaft gibt der Natur nichts zurück, sie nimmt nur. Sie kann es nicht zurückgeben und teilen, weil eben das Bild auf Basis der erfundenen Mathematik und Wissenschaft keine Reflexion der Natur ist und der Übergang zu der 'Natur der anderen Wesen' verschüttet ist.

Die Fraktale bringen einige sehr geeignete Ergebnisse hervor, zu denen die Entsprechungen in der Natur offenkundiger sind. Wie oben schon erwähnt, sind es die Geburt von Ordnung aus dem Chaos, die Ungleichheit trotz gleich anmutender Anfangsbedingungen, die Skalierung der Strukturen, die Rückkoppelungsschleifen und die einfachen Prinzipien, die sich in der fraktalen Geometrie und Mathematik beobachten lassen. Mit dem nötigen Abstraktionsvermögen finden wir dazu die Entsprechungen in der belebten und unbelebten Natur. Nichts ist gleich. Das Leben ist eine millionenfache Rückkopplungsschleife. Neues Leben entsteht aus Leben und es hat als Randbedingung das vergangene Leben. Fraktale sind Fortentwicklungen wie das Leben, sie lassen sich in vielfältig wachsenden Strukturen beobachten. Und das Wachstum wird durch eine Spirale besser geometrisch abgebildet, als durch einen Kreis.

So weit ist die Forschung also gekommen. Aus erfundenen geometrischen Prinzipien hat sie sich bis zur Chaostheorie vorgearbeitet, die das rudimentäre Prinzip des Lebens in einer speziellen Mathematik formuliert hat.

Aus einer schamanischen Perspektive ist das relativ trivial und wenig interessant. Wenn ein möglicher mathematischer Kern herausgearbeitet wurde, ist nicht ersichtlich, warum ich mich darauf reduzieren soll. Das Schamanische erkennt das ganze Leben in seiner spirituellen und organischen Einheit. Die Physik spricht die Sprache der Mathematik. Das Schamanische spricht die Sprache des Lebens. Warum soll ich mich mit dem trockenen, ungenießbaren Kern der Mango zufriedengeben, wenn ich die ganze süße Frucht haben kann?

 

Leben ist eine süße Frucht

 

Grenzen der intelligiblen Ordnung

Das Leben entwickelt sich, es passt sich an Rahmenbedingungen an, es verschwendet seine Ressourcen und teilt sie in Synergien mit der Welt. Dieser Prozess findet ohne den Menschen statt und er ist seit 3,5 Mrd. Jahren in Gang. Seit ungefähr 2 Mio. Jahren soll es den Homo Habilis geben, der mit Werkzeugen umgehen und sich verständlich machen konnte. Vor 130 Tsd. Jahren wanderte der moderne Mensch durch Afrika. Seit einigen hundert Jahren nehmen wir für uns in Anspruch, eine Ordnung erkennen zu können, die immer schon existent war. Für das Leben auf Erden ist unsere Definition der Ordnung in der mechanistischen Kultur bedeutungslos. Wir haben die Welt erfunden, die wir intellektuell durchdringen wollen. Bei genauerer Betrachtung werden die Grenzen unseres erfundenen Bildes der Welt offenkundig.

In der Geometrie des Euklid (300 v. Chr.) war zunächst alles flach und zweidimensional. Er zeichnete Striche, Dreiecke und Kreise und setzte sie zueinander in Beziehung. Die Natur wollte er damit nicht abbilden, das ist nicht überliefert. In der Natur ist auch nichts zu beobachten, was einer geraden Linie, einem perfekten Kreis oder einem gleichschenkligen Dreieck in zwei Dimensionen entspricht.

Diese Idealbilder blieben einige hundert Jahre im Bewusstsein hängen. Die Künstler malten flache Welten, die Menschen bewegten sich im Flachland und orientierten sich in den zwei Dimensionen. Da Vinci passte die Proportionen des Menschen in eine flache Geometrie ein.[29] Rene Descartes fügte die Idee der dritten Dimension hinzu, die senkrecht auf den anderen beiden steht.

Die Geometrie als Basis der Physik wurde ausführlich erklärt, das soll hier nicht nochmals thematisiert werden. Die intelligible Ordnung steht zur Diskussion. Die wissenschaftliche Methode gründet ihr Fundament auf die Empirie. Von dort entwickelt sie Hypothesen und Beweise und verfolgt mit wissenschaftlichen Methoden die rationale, oft mathematisch formulierte Fortentwicklung der Erkenntnisse der Physik und Chemie. Wenn die wissenschaftlichen Aussagen eine bessere Erklärung für die Beobachtungen mit sich bringen, dann ist der Wissenschaftler zufrieden und freut sich, dass die Welt intelligibel ist.

Bei der Physik des Raumes ist man seit einigen Jahrzehnten unzufrieden, weil viele Beobachtungen mit den drei Dimensionen nicht erklärt werden können. Nur ein kleines Spektrum der Physik lässt sich annähernd in einer dreidimensionalen Welt abbilden. Viele Phänomene bleiben außen vor und passen nicht in dieses Weltbild. Eine Zusammenführung der grundlegenden Kräfte der Physik (Elektromagnetismus und Gravitation) ist bisher nicht gelungen. Die Stringtheorie soll der Lösung am nächsten sein. Sie braucht in ihren mathematischen Modellen aber eine Vielzahl von Dimensionen. Die Raum- oder Zeitdimensionen reichen zur gemeinsamen Abbildung der Wirkungen nicht aus. Die Forscher suchen nach Lösungsansätzen mit bis zu 24 Dimensionen.

Das werde ich hier nicht weiter besprechen. Als Kern der Erkenntnis soll verbleiben, dass die alten Konzepte mit ihren drei Dimensionen keinen Rahmen anbieten, die Phänomene der Physik zu erklären. Eine Theorie, die keine Erklärung für die Gravitation hat, ist unvollständig. Die Gravitation wird beobachtet und gemessen. Sie muss in dem physikalischen Weltbild erklärt werden. Das ist bisher nicht gelungen. Die Gravitation bleibt mysteriös, sie wird noch nicht einmal in den selbst konstruierten mathematischen Modellen der materialistischen Welt erklärt. Die Alltagswelt braucht keine ausgefeilten und doch unfertigen physikalischen Weltkonstrukte mit 10 Dimensionen, von denen sechs eingerollt sind.

 

Gravitation bleibt mysteriös.

 

Wir sind an der Grenze der intelligiblen Welt angelangt. Und hier meinen wir noch immer die materielle und quantifizierbare Welt. Wenn sie nicht alle Beobachtungen erklären kann, dann ist das grundlegende Modell der Welt unzutreffend. Ohne ein Modell kann die Wissenschaft nicht arbeiten.[30]

Am Ende dieses Diskurses können wir die Frage nicht beantworten, ob die Welt intelligibel ist. Wir wissen gar nicht, was die Welt ist und wo ihre Grenzen sind. Jeder hat seine Welt und wir nähern uns den Vorschlägen Schopenhauers, der die Welt als Wille und Vorstellung erkennt: „Die Welt ist meine Vorstellung.“

Aber kein Mensch ist eine Insel. Er teilt die Vorstellungen mit anderen Menschen und es entstehen gemeinsame Verabredungen über das Weltbild und seine Repräsentation in Modellen. In den quantifizierten Modellen gibt es Bereiche mit einer intelligiblen Ordnung. Die Bereiche haben wir selbst definiert und ihre Grundlagen in der Sprache der Mathematik für die Naturwissenschaften formuliert. Das sind die strukturierten Bereiche, die einen Teil des Lebens ausmachen, die wir aber gemeinhin als tot bezeichnen.

 

Die Naturwissenschaften bringen den Tod ins Leben.

 

Leben ohne wissenschaftliches Modell

Die Modelle sind eine Entsprechung des Weltbildes. Nur der Mensch braucht ein Bild der Welt, andere Lebewesen oder die restliche Natur brauchen kein Bild zum Leben. Es ist noch nicht einmal der Mensch im Allgemeinen, der ein Bild der Welt braucht. Es ist der Mensch, der sich von der Natur separiert hat, der die Trennung zwischen sich als dem Subjekt und der anderen Natur (oder der Welt der Anderen) herbeiführt. Als Folge dieses Bildes der Welt entsteht eine Kultur als eine weitere Vereinbarung, wie die Menschen in dieser Welt sich verhalten sollen und mit anderen Menschen und der anderen Natur (dem Objekt) umgehen.

Auf der allgemeinen Grundlage der verabredeten Wirklichkeiten sind natürlich viele Welten vorstellbar. Keine davon ist privilegiert oder ragt aus der Menge der Vorstellungen heraus. Die Wissenschaftler der modernen Welt verabreden ein Bild der Welt, ein Modell, in das sie die Beobachtungen und Theorien ihres Gebietes einordnen, so entsteht eine modellabhängige Realität. Hawking formuliert es sogar ausschließend: ‚Es gibt keinen abbild- oder theorieunabhängigen Realitätsbegriff.‘[31] Diese Definition ist erst mit der Trennung von Subjekt und Objekt in der menschlichen Wahrnehmung und ihrer Interpretation notwendig geworden. Erst mit der Trennung kam die Frage auf, ob die Wahrnehmung der Welt der wirklichen Welt entspricht oder ob hinter den Kulissen eine von uns nicht wahrnehmbare andere Realität existiert.

Die andere Realität oder die Welt an sich soll ‚Natur‘ genannt werden. Sie ist wahrnehmbar. Wenn wir die anthropozentrische Position aufgeben, ist sie von allen Wesen mit Sinnen wahrnehmbar. Und wir können sicher davon ausgehen, dass die anderen Wesen mit anderen Wahrnehmungen zu unserer menschlichen Wirklichkeit andere, weiter reichende Wirklichkeiten in ihrem Leben erfahren.

Mit dem menschlichen Naturbild des Rationalismus wurde implizit die Annahme einer Kausalität verknüpft und zwar in einer Weise, die sich einem endlichen, erkennbaren Regelwerk unterwirft. Und dieses Regelwerk soll sich den menschlichen Sinnen erschließen. Diese Sicht auf die Natur unterstellt, dass es verborgene Geheimnisse gibt, ohne die Annahme zu prüfen, ob diese Geheimnisse nicht gerade erst dadurch entstehen, dass die Regellosigkeit und das natürliche Chaos in ein mathematisches Korsett gezwungen werden sollen. Einige Fragen nach dem Hintergrund der Annahmen werden gar nicht erst gestellt:

Warum sollte die Natur überhaupt Geheimnisse haben? Das würde die natürliche Entwicklung doch nur unnötig erschweren. Schwierigkeiten in der Entwicklung sind künstlich, nicht natürlich. Die Natur fließt unbeschwert von Geheimnissen.

 

Die Natur hat keine Geheimnisse.

 

Sind die mangelhafte Ausprägung der menschlichen Sinne nicht die Begrenzung der Erkenntnis? Andere Lebewesen haben möglicherweise einen besseren Zugang zur Natur, ohne nach Geheimnissen forschen zu müssen. Sie bewegen sich durch drei Dimensionen, wenn es denn drei Dimensionen überhaupt gibt. Vielleicht bewegen sie sich vom Menschen unerkennbar durch mehr Dimensionen.

Der Vogelflug oder die Wanderungen der Seeschildkröten lassen besondere Fähigkeiten erkennen, die der Mensch nicht nachvollziehen kann. Andere Tiere haben ein erheblich größeres Spektrum an Farben, eine wesentlich schärfere Sicht, ein weitaus besseres Gehör und einen vielfach ausgeprägteren Geruchssinn. Gemeinschaften von Ameisen, Bienen und anderen Insekten haben intensivere soziale Kontakte als der Mensch. Andere Lebewesen sind in der Erde verwurzelt und vertrauen auf die Stärke der Mutter Erde. Wie leben die anderen Wesen, ohne die Geheimnisse zu kennen? Ist der Mensch eigentlich den anderen Wesen unterlegen, weil er so beschränkt in seiner Wahrnehmung ist, dass ihm seine eigene Welt geheimnisvoll vorkommt?

Der Mensch nimmt bestimmte Erscheinungen oder Grundlagen an, auf denen er seine Weltsicht aufbaut. Diese Basis ist frei erfunden oder wenn man es positiv ausdrücken will: kreativ aus dem Nichts geholt. Die Kausalität ist zum Beispiel eine solche Grundlage. Sie trägt wie jede Idee zur Grundlage der Kultur bei. Die Idee des freien Willens, die Idee der unsterblichen Seele, die Idee eines Gottes, die Idee einer geometrischen Welt, die Idee einer Vererbung, die Idee der Zeit, die Idee der Liebe, die Idee der Schönheit und ganz viele weitere Ideen bilden die Grundlage einer Kultur. Die Idee der Macht ist für sehr viele Kulturen eine naturgegebene Konstante, ebenso die Idee des Zwecks von Handlungen oder Gegenständen. Auf der Suche nach den ersten Steinen im Fundament der Welt stößt man immer wieder auf Ideen und plausible, manchmal auch willkürliche Annahmen. Die Annahme der Konstanz einer Struktur braucht man, um Extrapolationen in die Zukunft zu machen, oder Erwartungen zu untermauern. Es gibt in der Natur keine Konstanz, aber gewisse Trägheiten; so wenig wie es keine Gleichheiten gibt, nur gewisse Ähnlichkeiten. Ein konservativer Denker neigt dazu, die Konstanz zu erkennen, ein Kreativer sieht Instabilität und Veränderungen in dem gleichen Bild der Welt. Der Konservative sieht den statischen Baum, der Kreative die dynamischen Knospen und jungen Triebe. Und doch ist es derselbe Baum.

 

You see what You are looking for.

 

Es gibt keine Verabredung über die Wirklichkeit der materiellen Welt. Jedes Wesen nimmt sie mit seinen eigenen evolutionär ausgebildeten Sinnen anders wahr und nur aus der anthropozentrischen Position ist die Frage der Intelligibilität überhaupt sinnvoll zu stellen. Eine Antwort darauf ist nur innerhalb der modellabhängigen Realität zu finden, deren Grenzen von der Physik und Geometrie abgesteckt worden sind. In der Natur und im menschlichen Umfeld werden der Geist und das Bewusstsein beobachtet. Über deren Entstehung und ihrer Bedeutung für das Leben sagt das Weltmodell nichts aus.

 

Hinter den Grenzen der intelligiblen Ordnung

Geist und Körper sind in dem materialistischen Weltbild getrennt und einer gemeinsamen Erklärung nicht zugänglich. Die wissenschaftliche Erkundung der Welt hat zunächst den Geist, die Seele, das Bewusstsein, das Selbst aus dem Modell der Welt ausgeschlossen und sich auf die quantifizierbaren Phänomene beschränkt. In der induktiven wissenschaftlichen Methode wird aus den Beobachtungen der Natur das Modell und die Theorie entwickelt und meist in mathematischer Sprache oder zumindest sehr formal formuliert. In dieser Sprache kommt der Geist nicht vor, er ist nicht quantifizierbar und somit nicht wissenschaftlich erklärbar. Aber er ist zu beobachten und er gehört zu den intuitiv erfahrenen Grundlagen unseres technischen Weltbildes. Irgendwo muss die Wissenschaft beginnen und sie beginnt bei der Natur, genauer bei der Wahrnehmung der Natur. Der Mensch erfährt immer neue Geheimnisse und Zusammenhänge. Die Natur entblößt sich vor dem scharfen Verstand des Menschen. Der Mensch kann sie immer besser erklären (Kausalitäten finden) und so schreitet die Wissenschaft zu immer weiteren und besseren Erklärungen der Welt.

Wenn alle Materie beschrieben ist, wenn die Kausalitäten der Physik ohne den Beobachter vollständig erklärt sind, dann kommt der Geist in das Bild und ergänzt einige fehlenden Aspekte der materiellen Welt. So sehen die Physiker und Chemiker und die anderen Protagonisten der materialistischen Weltanschauung den Aufbau und die Entstehung der Natur. Schon allein durch die Hinzunahme des Geistes in die Erklärung zur Entstehung von Organismen ist die naturwissenschaftliche Bedingung verletzt, nach der der Beobachter immer außerhalb des Modells bleibt. Der Mensch als ein Teil der Welt, die er erklären möchte, ist eben Teil dieser Welt und er ist Träger des Geistes und Bewusstseins, das erklärt werden soll. Ein Verzicht auf diese Erklärung kommt nicht in Betracht, denn das Bewusstsein oder der Geist ist auch für jeden eingefleischten Physiker eine unumstößliche eigene Erfahrung. Eine Evolutionstheorie ohne eine Berücksichtigung des Geistes ist unvollständig. Die Eingangsfrage, ob die Welt intelligibel ist, ist nach den bisherigen Erkenntnissen mit ‚Nein‘ zu beantworten.

Die rein physikalische, materielle Erklärung der Körper ist unvollständig und scheitert bereits an dem grundlegenden Modell mit der Geometrie der drei Raumdimensionen, der quantifizierten, linear verlaufenden Zeit und der Reduktion auf Materie als die Grundlage der Welt. Der Reduktionismus hat versagt, der Geist lässt sich nicht in ein materielles Bild der Welt einbauen.[32] Eine Ergänzung um die Entstehung und intelligible Erklärung des Geistes fehlt noch, denn es mangelt ihr an der Beschreibung zum Auftreten des Geistes in der Evolution.

 

Geist ist vor Evolution.

 

Die Anforderungen gehen weit darüber hinaus, denn es muss bereits die Basis für das Auftreten des Geistes gelegt sein, d.h. der Geist oder das Bewusstsein sind als Folge der evolutionären Entwicklung zu erwarten. Dieser zwingende Ablauf von der geistigen Ergänzung einer materiellen Evolution ist nicht erkennbar. „Und wenn uns die physikalische Wissenschaft, was immer sie über den Ursprung des Lebens zu sagen haben mag, im Hinblick auf das Bewusstsein notwendigerweise im Dunkeln lässt, dann zeigt das, dass sie nicht die Grundform von Intelligibilität für diese Welt bereitstellen kann.“[33]

Der Mensch stellt sich in den Mittelpunkt der Welt, seiner frei erfundenen Welt. Diese Betrachtungsweise wird ‚anthropozentrisch‘ genannt. Das ist schon irreführend. Der Begriff ist möglicherweise eine griechische Wortschöpfung, die auf die Menschen in der damaligen Welt anwendbar war. Er charakterisiert heute das Bild des modernen Physikalisten, der das Leben seiner künstlich ersonnenen Welt unterordnen will. Die engen Begrenzungen der materiellen Welt pferchen das Leben in ein physikalisches Korsett.

 

Die schamanische Betrachtung der Evolution stellt das Leben auf der Erde in den Mittelpunkt. Die Basis des Lebens ist nicht materiell, sondern spirituell. Aus dem einen Geist oder Bewusstsein, das alle Wesen teilen, erscheint das Leben.[34] Die Rückkoppelungsschleife setzt sich also nicht von einem Wesen auf seine Nachkommen fort, das wäre zu eng betrachtet für eine lebendige Entwicklung. Die Schleife kommt aus dem Soolago für jedes Wesen, jede Pflanze, eben für das Leben in allen seinen Erscheinungsformen. Die Rückkopplung verbindet die Wesen in allen Generationen. So kommt eine unglaublich hohe Iterationszahl über alle miteinander verbunden Wesen zustande.

Der DNA-Code ist nicht die materialistische Erklärung für die Evolution der Wesen, aber er ist sicher eine Informationsquelle für die körperliche Ausstattung und ein Repräsentant für die Weitergabe der Informationen der Entwicklung. Dieser Träger des Erbgutes gibt die Informationen in der Lebenszeit des Spenders weiter - wie sollten auch sonst die Erfahrung, die Erlebnisse und die Struktur der Erinnerungen an Ereignisse in die Rückkoppelungsschleife eingefügt werden?

Das darwinistische Prinzip der natürlichen Auslese bekommt mit einer fraktalen Interpretation eine andere Erklärung für die Evolution. Demnach sind die Mutationen im Erbgut keine zufälligen Ereignisse, sondern eine neue Struktur aus dem Chaos der Möglichkeiten, als Reaktion auf die veränderten Rahmenbedingungen. Die Rahmenbedingungen sind ihrerseits natürlicher Art, sie sind vorheriges Leben. Alles um ein Wesen auf dieser Erde ist das vorherige Leben anderer Wesen.

Das Leben springt aus dem Soolago in eine Form. Die Form hat einen Teil, der fest ist und erkennbare Struktur hat. Und die Form hat einen veränderlichen Teil, der auf die Rahmenbedingungen reagiert und sich anpasst.

[1] Das Prinzip der Frage und der Erwartung einer Antwort ist nur den Menschen bekannt, jedenfalls wenn es sich um die intelligente Fragestellung handelt, die im Folgenden behandelt wird.
[2] Th. Nagel, Geist und Kosmos, S. 34 ff
[3] s. dazu die Grundlagen der Metaphysik in der technischen Gesellschaft
[4] Der Stein der Weisen; F. David Peat, S. 185.
[5] Sind Entwicklungen in der Natur von der Zukunft abhängig, oder nur von der Vergangenheit? Wären Entwicklungen oder Ausprägungen oder Ereignisse von der Zukunft abhängig, dann hätten die Entwicklungen ein Ziel oder einen Zweck. Sie wären teleologisch.
[6] Keines der Ereignisse braucht eine gemessene Zeit.
[7] Diese Differenzierung kann zu dem Thema der Ordnung wenig Neues beitragen. Alle mathematischen Formulierungen zu den Dimensionen beruhen auf quantifizierten Annahmen. Keine der beschriebenen Welten liefert einen Rahmen für die qualitativen Sinneserfahrungen. Keine Variante der Dimensionen ist in der Lage, die Wirklichkeit eines Lebewesens zu erfassen. So ist es für die Diskussion der menschlichen Ordnung unerheblich, wie tief die Dimensionen gestaffelt sind. Wir können uns mit den drei Raumdimensionen der Alltagserfahrung zufriedengeben.
[8] Prolegomena, ... §34 (Anm.)
[9] GMS, S. 112
[10] Kritik der reinen Vernunft, 2. Auflage, 1787, B 446-447. Im weiteren Verlauf der Antinomien diskutiert Kant die Fragen, ob die Welt einen Anfang hat, ob es einen leeren Raum und eine leere Zeit gibt. Das ist an dieser Stelle nicht von erheblicher Bedeutung für die Grundlage der mathematisch beschreibbaren Welt.
[11] GMS, S. 29 f
[12] GMS S. 23
[13] Siehe dazu den Text zur Chaostheorie
[14] Kritik der reinen Vernunft, S. 184, B 263
[15] Einstein; Mein Weltbild, S. 129
[16] Ebd. S. 133
[17] Das gilt für die optische Zerlegung. Die praktische Zerlegung eines lebenden Wesens und seine erneute Zusammensetzung ist weder bei einem Baum, noch bei einem Elefanten oder einem Einzeller möglich.
[18] Siehe den Abschnitt zur Chaostheorie und darin die Beschreibung von David S. Peat über die Mandelbrot Grafiken
[19] Das geschieht in der seit 30 Jahren sich entwickelnden Stringtheorie für das Weltmodell. In dem Spiel mit den Dimensionen wird nicht nur mit ganzzahligen Dimensionen operiert. Die fraktale Geometrie arbeitet mit gebrochenen Dimensionen, in denen der Raum beliebig verformt wird. Der ‚zerknüllte Raum‘ ist nur noch für den ausgebildeten Mathematiker intelligibel. Dem Alltagsverstand ist das Modell der Welt nicht zugänglich.
[20] Diese Ordnungen und Quantifizierungen sind eine notwendige Voraussetzung für die finiten Spiele der mechanistischen Kultur. Nur mit den Bewertungen lassen sich Sieger küren oder zumindest Rangfolgen feststellen.
[21] Erwin Schrödinger hat sich in einem berühmten Buch der Frage gewidmet, wie das Leben aus der Sicht eines Physikers beschrieben werden kann. Am Ende seines Werkes kommt er nach vielen detaillierten physikalischen Betrachtungen zu dem Schluss, dass lebende Materie „sich nicht auf die gewöhnlichen physikalischen Gesetze zurückführen lässt...“ E. Schrödinger: Was ist Leben, S. 133
[22] Ebda.
[23] Albert Einstein; Mein Weltbild, 27. Auflage, München 2001, S. 193
[24] Ebda.
[25] Das erinnert an die Aufgabenbeschreibung der Naturwissenschaft in dem „Novum Organum“ von Francis Bacon. Zitat von David F. Peat bei ‚Entstehung des Weltbildes‘.
[26] s. Peat, ... Die Entdeckung des Chaos, S. 110: "Unser Leben selbst und unsere Gesundheit beruhen darauf, daß wir zwischen Schichten der Ordnung und der Unordnung leben."
[27] In der Mathematik ist die Iteration zur Lösung nichtlinearer Gleichungssysteme üblich. Mit dem bekannten Newton-Verfahren wird die Lösung eines Gleichungssystems iterativ bestimmt. Anders als bei der Berechnung von Fraktalen, soll die Iteration sich einem Lösungspunkt nähern. Fraktale bewegen sich von einem Ausgangspunkt weg.
[28] Peat beschreibt die einfache mathematische Regel in seinem Buch "Die Entdeckung des Chaos", S.141.
[29] Siehe das bekannte Bild des Menschen im Kreis – Vitruvianischer Mensch. Hier wird die Symbolik deutlich, nach der Menschen innerhalb der Geometrie intelligibel sind. Von dem Geist oder dem Bewusstsein sieht Leonardo DaVinci vollends ab. Er ordnet die unendlichen Gefühle und geistigen Fähigkeiten der endlichen Geometrie unter.
[30] Stephen Hawking & Leonard Mlodinow, Der große Entwurf, Hamburg 2018, S. 42 „Es gibt keinen abbild- oder theorieunabhängigen Realitätsbegriff.“ Ein Weltbild ist ein Modell mit einem Satz von Regeln.
[31] Hawking, Entwurf, S. 42; Hawking S. 45: Wir fertigen Modelle in der Wissenschaft an, aber auch im Alltag. Modellabhängiger Realismus gilt nicht nur für wissenschaftliche Modelle, sondern auch für die bewussten und unbewussten mentalen Modelle, die wir alle schaffen, um unsere alltägliche Welt zu deuten und zu verstehen. Es gibt keine Möglichkeit, unsere Wahrnehmung der Welt unabhängig vom Beobachter – von uns – zu beschreiben, denn sie wird nun einmal durch unsere sensorische Verarbeitung erzeugt und die Art und Weise, wie wir denken und urteilen. Unsere Wahrnehmung - und damit die Beobachtungen, auf die sich unsere Theorien stützen – ist nicht unmittelbar, sondern wird durch eine Art Linse geprägt, die Deutungsstruktur unseres Gehirns.
[32] Thomas Nagel, Geist und Kosmos, hat das schlüssig und leicht nachvollziehbar dargelegt. Seine Logik führt zu einer Absage an den Reduktionismus. S. 70: ‚Dieses Problem [Unvollständigkeit des Materialismus] hängt einzig von der Annahme ab, dass der Reduktionismus zwar falsch ist, der Geist aber gleichwohl ein biologisches Phänomen ist. Solange das Mentale nicht auf das Physikalische zurückführbar ist, bleibt das Auftreten bewusster physischer Organismen durch eine naturalistische Darstellung des bekannten Typs unerklärt.
[33] Thomas Nagel, Geist und Kosmos, S. 81
[34] In diesem Sinne lässt sich ein Theismus in die schamanische Betrachtung einbringen. Gott kann nicht Teil der Naturgesetze sein, also Teil der Welt. Dann Leidet er unter den gleichen Begrenzungen, die wir schon für das Leben ausgemacht haben. Das Unendliche, die Gefühle oder der Gott wären dann in einen endlichen Materialismus gepresst. Dann kann er nicht auf das Bewusstsein oder den Geist wirken. Gott war vor der Welt da. Ist Gott die Seele und der Geist? Dann ist er für alle da und spirituell erreichbar. Er ist dann ebenso wie die Spirits die unsichtbare und unveränderliche Grundlage des Lebens. Bewusstsein, Gefühle, Gott, Spirits sind dann nur Wortschöpfungen mit unterschiedlichem kulturellem Hintergrund.